VISION 20002/2011
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Nachlese

Artikel drucken (Helmut Hubeny)

VISION 1/11 bescherte mir das Aha-Erlebnis, daß tatsächlich in jeder Messe um Bewahrung vor Verwirrung gebetet wird. Weitere Autorenbeiträge haben mich veranlaßt, im Katechismus der katholischen Kirche über das Gewissen nachzulesen. Dort heißt es unter anderem: „Das Gewissen ist der verborgenste Kern, das Heiligtum des Menschen, in dem er allein ist mit Gott“, großartig! „Der Mensch muß dem sicheren Urteil seines Gewissens stets folgen“, „Ein gut ausgebildetes Gewissen ist aufrecht und wahrhaftig“. Allerdings: „Das Gewissen kann in Unkenntnis bleiben oder falsch urteilen“.
Seit meiner ersten Begegnung mit Christus vor fast einem halben Jahrhundert habe ich mich verstanden als Ant-Wort auf Ihn, Gottes Wort, Ihm ver-ant-wortlich. Deshalb ist mir das Gleichnis vom anvertrauten Vermögen immer nahe. Dort erzählt Christus, wie er Rechenschaft fordert von Menschen, denen er Talente und Minen treuhändisch verliehen hat.
In meinem Berufsfeld als gerichtlich zertifizierter Sachverständiger war ich darauf vereidigt, meine Tätigkeit nach bestem Wissen und Gewissen verantwortlich auszuführen. „Sich verantworten heißt, für Wirkungen einstehen, die man verursacht hat“ (Hans Sachsse), also Rechenschaft ablegen. Verantwortung setzt Erkenntnis, Mündigkeit und Handlungsfreiheit voraus. Fehlt auch nur eines, gibt es keine Verantwortung.
Für mich als technischen Sachverständigen war es unabdingbar, mich an technischen Normen zu orientieren. Das Österreichische Normungsinstitut ist in unserem Land die dafür bestimmte Autorität. Eine von ihm herausgegebene ÖNORM hat den Charakter einer „Empfehlung“ und wird auch zur Bestimmung des Standes der Technik herangezogen.
Analog zu meiner Berufserfahrung strebe ich zur Wahrnehmung meiner Verantwortung im „Volk Gottes“ nach Erkenntnis (Erkennen des zutreffenden Sachverhaltes), nach Mündigkeit („Ich nenne euch nicht mehr Knechte…vielmehr habe ich euch Freunde genannt“) und nach Handlungsfreiheit („…von der Sklaverei und Verlorenheit befreit zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“). Und analog zum Normungsinstitut meines Landes richte ich mich nach dem Lehramt meiner Konfession.
Verwirrung begleitete die Kirche von Anfang an. Heilsgeschichte – die Geschichte der Kirche als sakramentale Gemeinschaft, die Geschichte der Heiligen – ist untrennbar verbunden mit der Geschichte von Irrlehren (Häresien), Spaltungen (Schismen) und Religionsmix (Synkretismus). Damals wie heute! Weder Kadavergehorsam noch Willkür können darüber richtige Urteile eines gut ausgebildeten Gewissens sein. Damals wie heute!
Zur Gewissensbildung hatte ich mich nun drei Tage in die Stille eines Klosters zurückgezogen. Dort habe ich den Vorsatz erneuert, den für mich seit Jahrzehnten bewährten Spruch von Carlo Carretto wieder konsequent zu leben: „Eine Stunde im Tag, einen Tag im Monat, eine Woche im Jahr mußt du alles und alle verlassen, um dich allein mit Gott zurückzuziehen.”

Helmut Hubeny

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