VISION 20001/2013
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Zieh endlich den Kopf aus dem Sand!

Artikel drucken Wege aus der Krise in Europa

Statt einer „Buchbesprechung“ will ich bezeugen, dass der Autor Heinrich Wohlmeyer bei mir bewirkt hat, wozu er im Vorwort dringend aufruft: „Jeder von uns ist zu der not-wendenden Kurskorrektur verpflichtet, wenn er nicht verantwortungslos und zukunftskriminell handeln will.“
Seit wir von unseren gewählten Politikern ohne demokratische Zugriffsmöglichkeit über ESM (Europäischer Schutzmechanismus) und andere institutionalisierte Geldvernichter verkauft werden, schaue ich hilflos weg, obwohl ich weiß, dass Schulden nicht mit neuen Schulden beglichen werden können, sondern bisher immer nur durch Inflation oder Krieg „annulliert“ wurden. Für mein Wegschauen habe ich mir beispielsweise Mt 6,19 „Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören“ und andere einschlägige Bibelverse zurechtinterpretiert.
Mein Freund Oskar hat mich gefragt, ob das nicht fahrlässig sei? Verunsichert bin ich danach „zufällig“ auf Lk 16 gestoßen. Da wird ein trickreicher Verwalter gelobt und Zuverlässigkeit im Umgang mit Geld gefordert. Ich hab‘ das als ziemlich klare Aufforderung empfunden: Zieh endlich den Kopf aus dem Sand!
Heinrich Wohlmeyer will mit seinem Buch genau das! Er bietet gründliche, inhaltsreiche, redliche Information in seiner bekannt ungeschminkten Ausdrucksweise aus tiefem christushaften Glauben. Dabei konzentriert er sich nach der Methode des Dreischritts „Sehen – Urteilen – Handeln“ von Joseph Kardinal Cardijn (1882 - 1967) auf die Missachtung der geistig-kulturellen Dimension, der ökologischen, sozialen, ökonomischen Grenzen und bewährter Muster im Bildungsbereich. Er prangert das Wegschauen, Verdrängen, Angst-Tolerieren von zerstörenden politischen Konzepten, Ideologien und Religionen an.
In meiner Verunsicherung hat mich am heftigsten das Kapitel von der Missachtung der ökonomischen Grenzen bewegt. Wohlmeyer beschreibt das Abheben der Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft so, dass ich erstmals vermeine, es nachvollziehen zu können.
Ich fand das so unglaublich, dass ich einige Angaben überprüft habe. Ja, der Autor hat über die Zentren der „Hochfinanz“ korrekt berichtet: „die“ Fed (Federal Reserve System) ist nicht die „Nationalbank“ der USA, sondern ein Bankenmonopol mit dem Recht, Geld zu drucken! 1944 wurde der Dollar in Bretton Woods zur goldgedeckten Leitwährung erklärt, 1973 die Konvertibilität in Gold von den USA einseitig aufgehoben („eigentlich der erste große Finanzbetrug der USA“).
Die Leitmacht druckt Geld, und „dreht es der Welt an, solange die Mehrheit der Menschen noch an den Wert des Dollars glaubt. Wer nicht glaubt und dies auch noch kundtut, wird diszipliniert“ (Irak-Krieg). Der Münzgewinn (die Differenz zwischen Nennwert und Herstellungskosten einer Münze) wächst dem Fed zu, nicht dem Staat USA!
Um den gigantischen Zuwachs an Geldvolumen zu kanalisieren oder zu vernichten, wurden von den bestens ausgebildeten Nutznießern verschiedene Strategien entwickelt wie Über­einkommen mit Saudi-Arabien, Öl nur in Dollar zu verrechnen und dies auch in der OPEC (Organisation Erdöl fördernder Länder, Wien) durchzusetzen; den Ölpreis 1973 schockartig zu erhöhen; den „Petrodollar“ zu recyceln via Londoner City – einer zeremoniellen Grafschaft mit einem eigenen Bürgermeister (Lord Mayor) – und dem gigantischen Netzwerk britischer Steueroasen im „Privateigentum der Krone“; über US-Staatsanleihen; über virtuelle Derivatmärkte bis hin zum durchgezogenen Konkurs von Lehman Brothers (90% Auslandspapiere) bei gleichzeitiger Sanierung von Goldman-Sachs (vorwiegend US-Papiere). Ziemlich fassungslos konzentrierte ich mich dann auf Wohlmeyers Lösungsvorschläge zur „Eigenvorsorge“, womit sich vorerst der Kreis zur Provokation meines Freundes Oskar schließt.
Am Anfang des Neuen Jahres steht für mich jedenfalls die entschiedene persönliche Auseinandersetzung mit den Themen dieses Buches!
Helmut Hubeny

Empörung in Europa, Wege aus der Krise. Von Heinrich Wohlmeyer, Ibera/European University Press, Wien, 2012, 352 Seiten, 24,90 Euro (A).

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