VISION 20004/2002
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Liebst Du mich?

Artikel drucken Am Grab des Apostels Petrus

Nach der vierten und letzten 450 Kilometer langen Etappe Pomposa-Rom unserer Wanderung haben wir das Grab des Petrus besucht. Es liegt in einer zweiten Ebene unter dem Petersdom, in der Nekropole des Vatikan. Quellen aus den ersten Jahrhunderten des Christentums legen nahe, daß Petrus in der Nähe seiner Hinrichtungsstätte, dem Zirkus des Nero nahe der Via Aurelia, am vatikanischen Hügel begraben worden war.

Ein um 200 zu datierender Brief des Gaius erwähnt ein “Tropaion" ein “Siegeszeichen" am Grab des Apostels. An einer Grabtafel ist die Existenz des Zirkus zur Zeit der ersten Christenverfolgungen in den Jahren 64 bis 67 dokumentiert.

Archäologische Ausgrabungen, die Papst Pius XII von 1939 bis 1950 durchführen ließ, bestätigten die Angaben antiker Quellen. Die Wissenschaftler fanden genau unter der in der Krypta als Petrusgrab verehrten Gedenkstätte ein christliches Armengrab mit Fabrikationsprägungen aus dem ersten Jahrhundert auf dessen Ziegeln.

Darüber wurde ein kleiner “Baldachin" aus Marmor mit zwei 1,6 m hohen Säulen aus dem Jahr 165 ausgegraben. Das war der archäologische Beweis für das von Gaius erwähnte “Tropaion".

Schließlich entdeckten die Archäologen direkt unter dem Petersdom eine ganze unterirdische Totenstadt, von der heute - beidseitig von römischen Grabkammern umgeben - eine 70 m lange Straße freigelegt ist. Als Kaiser Konstantin ab 322 die erste fünfschiffige Basilika als Peterskirche errichten ließ, mußte er die Friedhofsruhe aufheben, was auch für einen Kaiser keine einfache Angelegenheit war.

Danach war ein ungeheurer baulicher Aufwand erforderlich, um die Gedenkstätte in die Kirche zu integrieren: Die Kirche mußte nach Westen ausgerichtet werden, der Hügel hinter der Totenstadt abgetragen und die Kirche auf der anderen Seite auf Säulen gestellt werden.

Konstantin ließ das Tropaion des Apostels rundherum zugänglich, damit es von Pilgern besucht werden kann. Heute ist es gar nicht so leicht, eine Führung durch die Nekropole mitzumachen (Das geht üblicherweise mit rechtzeitig beschafften vatikanischen Papieren oder, wie wir es erlebt haben, auf direkte Fürsprache des Simon Petrus).

Ich war jedenfalls sehr beeindruckt von den Einblicken aus der unterirdischen Straße in die pluralistischen Grabkammern der Zeitenwende. Die Wohlhabenden in ihren wertvollen Sarkophagen ließen sich gemeinsam mit armen Familienmitgliedern und Sklaven begraben. So fanden sich in der Grabkammer einer einzigen Familie Särge mit römischen und ägyptischen Götterbildern neben den bescheidenen der christlichen Angehörigen mit Auferstehungssymbolen.

Unglaublich berührend aber war der Blick aus wenigen Metern Entfernung auf die freigelegten Säulen des Tropaion über dem Grab des Apostels. Das Grab selbst ist verdeckt. Unser Führer, ein junger Theologiestudent aus Hamburg, hat die, denen der Prunkbau der heutigen Peterskirche ein mißverständliches Zeichen übertriebener Machtentfaltung sein könnte, auf ein Fresko des berühmten italienischen Malers Giotto in der Vorhalle der Basilika hingewiesen.

Das Bild zeigt, wie Petrus Christus auf dem Wasser entgegeneilt und gerade beginnt, in den Wellen zu versinken. Souverän reicht ihm Christus die Hand, die er mit angstvollem Gesichtsausdruck ergreift. Alle Jünger im Schiff sind mit Heiligenschein dargestellt - nur Petrus nicht!

“So müssen Sie den Dienst des Petrus verstehen", meinte unser Führer freundlich, “er ist nur an der Hand Christi möglich - sonst ist er zum Untergang bestimmt!" Und gerade dieser Simon Petrus, den die Bibel gar nicht als verläßlich und heldenhaft beschreibt, ist gerufen, seine Brüder und Schwestern zu stärken. Und gerade ihn fragt Christus dreimal: “Liebst Du mich?"

An seinem Grab ist in mir die entscheidende dreimalige Antwort des Simon Petrus aufgeklungen: “Herr, Du weißt alles, Du weißt, daß ich Dich liebe!"

Helmut Hubeny

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