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Ach, Sie sind katholisch?

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In drei ausgewählten Aufsätzen des Arztes, Naturwissenschaftlers und Romanautors Walker Percy werden überraschende und doch einleuchtende Überlegungen zu Grundfragen des gläubigen Denkens geboten. Der Autor ist sowohl von seiner Art, ins Grundsätzliche zu gehen, als auch von seinem kurzweiligen, souverän-humorvollen Stil her, Chesterton nicht unähnlich.

Der erste Essay handelt von den Erfahrungen, die jemand macht, der - trotz eines völlig gegensätzlichen gesellschaftlichen Klimas - katholisch ist und sich dazu bekennt. Die selbstbewußte und abgeklärte Selbstverständlichkeit, mit der der Autor zum Gegenangriff auf den Zeitgeist übergeht, ist lesenswert.

Modeideologien der letzten beiden Jahrhunderte werden etwa so abgefertigt: “Darwin, Newton und Freud waren Theoretiker. Sie strebten nach Wahrheit mehr oder weniger erfolgreich durch Theorie - von der sie jedoch selbst ausgenommen waren. Sie werden in Darwins ’Ursprung der Arten' vergeblich nach einer Erklärung für Darwins Verhalten beim Schreiben von ’Der Ursprung der Arten' suchen."

Der zweite Aufsatz ist schwieriger, eher für eingefleischte Denksportler und Amateurphilosophen. Es geht dabei um den “Delta-Faktor", die Dreiecksbeziehung von verstehendem Menschen, verstandener Sache und dem sie bezeichnenden Wort, also um die Erkenntnis, daß unsere Begriffe die Sache tatsächlich erfassen, ja, daß die Begriffe die Sache selbst sogar sind.

Das ist alles andere als eine triviale oder belanglose Einsicht. Sie ist deswegen so wichtig, weil es für den Glauben und seine Entfaltung in Bekenntnis und Theologie unerläßlich ist, daß der Mensch Wirklichkeit tatsächlich erfassen kann.

Percy bezieht sich bei seinen Ausführungen auf das Schlüsselerlebnis der blinden und taubstummen Helen Keller (die später ein Studium absolvierte), die als Kind diese Begriffsgewinnung selbst ganz deutlich erlangte, bzw. erfuhr.

Im dritten Aufsatz analysiert Percy alle Arten von möglichen Aussagesätzen und kommt zu dem Schluß, daß die Sätze des christlichen Glaubens nur Botschaften aus einer anderen Welt sein können, die den Menschen gleichsam wie einen Schiffbrüchigen mittels Flaschenpost erreichen. Auch dieser Aufsatz ist so aufschlußreich wie dicht und anspruchsvoll.

Das Buch ist von der Gestaltung her sehr gefällig gehalten, sodaß man es gerne zur Hand nimmt. Bei einer allfälligen Neuauflage wird der Verlag gut beraten sein, Erläuterungen und Kommentare für ein breiteres Publikum anzufügen. (Wer Helen Keller war, kann beim deutschsprachigen Leser kaum vorausgesetzt werden.) Auf alle Fälle eine bereichernde und erfreuliche Lektüre. Vom Feinsten.

Wolfram Schrems

Walker Percy: Ach, Sie sind katholisch? Essays zu einer Weise, die Welt zu sehen, Verlag Johann Wilhelm Naumann, Würzburg 1999, 19,60 Euro

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