VISION 20006/2011
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Ihr seid das Licht der Welt

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Die Welt, in der wir leben, wird trotz des technischen Fortschritts scheinbar letztlich nicht besser. Noch immer gibt es Krieg und Terror, Hunger und Krankheit, bittere Armut und erbarmungslose Unterdrückung. Und auch die, die sich in der Geschichte als „Lichtbringer“ verstanden haben, ohne aber von Christus, dem einzigen, wahren Licht, entzündet zu sein, haben kein irdisches Paradies geschaffen, sondern Diktaturen und totalitäre Systeme errichtet, in denen selbst der kleinste Funke wahrer Menschlichkeit erstickt wurde.
An diesem Punkt dürfen wir nicht darüber schweigen, daß es das Böse gibt. Wir sehen es an so vielen Orten in dieser Welt; wir sehen es aber auch – und das erschreckt uns – in unserem eigenen Leben. Ja, in unserem eigenen Herzen gibt es die Neigung zum Bösen, den Egoismus, den Neid, die Aggression. Mit einer gewissen Selbstdisziplin läßt sich das vielleicht einigermaßen kontrollieren. Schwieriger wird es aber mit einem eher verborgenen Schlechtsein, das sich wie ein dumpfer Nebel auf uns legen kann, und das ist die Trägheit, die Schwerfälligkeit, das Gute zu wollen und zu tun. Immer wieder in der Geschichte haben aufmerksame Zeitgenossen darauf hingewiesen: Der Schaden der Kirche kommt nicht von ihren Gegnern, sondern von den lauen Christen.
Aber wie kann Christus dann sagen, die Christen und damit wohl auch diese schwachen Christen seien das Licht der Welt? Vielleicht verstünden wir, wenn er uns zuriefe: Bekehrt euch! Seid das Licht der Welt! Ändert euer Leben, macht es hell und strahlend! Müssen wir nicht staunen, daß der Herr keinen Appell an uns richtet, sondern sagt: Wir sind das Licht der Welt, wir leuchten, wir strahlen im Dunkel?
Liebe Freunde, der heilige Apostel Paulus scheut sich nicht, in vielen seiner Briefe seine Zeitgenossen, die Mitglieder der Ortsgemeinden, „Heilige“ zu nennen. Hier wird deutlich, daß jeder Getaufte – noch ehe er gute Werke tun kann – geheiligt ist von Gott. In der Taufe entzündet der Herr gleichsam ein Licht in unserem Leben, das der Katechismus die heiligmachende Gnade nennt. Wer dieses Licht bewahrt, wer in der Gnade lebt, der ist heilig.
Liebe Freunde, immer wieder ist das Bild der Heiligen karikiert und verzerrt worden, so als ob heilig zu sein bedeute, weltfremd, naiv und freudlos zu sein. Nicht selten meint man, ein Heiliger sei nur der, der asketische und moralische Höchstleistungen vollbringe und den man daher wohl verehren, aber im eigenen Leben doch nie nachahmen könne. Wie falsch und entmutigend ist diese Meinung! Es gibt keinen Heiligen, mit Ausnahme der seligen Jungfrau Maria, der nicht auch die Sünde gekannt und niemals gefallen wäre. Liebe Freunde, Christus achtet nicht so sehr darauf, wie oft wir im Leben straucheln, sondern wie oft wir mit seiner Hilfe wieder aufstehen. Er fordert keine Glanzleistungen, sondern möchte, daß Sein Licht in euch scheint. Er ruft euch nicht, weil ihr gut und vollkommen seid, sondern weil Er gut ist und euch zu seinen Freunden machen will. Ja, ihr seid das Licht der Welt, weil Jesus euer Licht ist. Ihr seid Christen – nicht weil ihr Besonderes und Herausragendes tut, sondern weil Er, Christus, euer, unser Leben ist. Ihr seid heilig, wir sind heilig, wenn wir seine Gnade in uns wirken lassen.

Aus der Ansprache bei der Gebetsvigil mit den Jugendlichen in Freiburg am 24.9.11

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