VISION 20005/2016
« zum Inhalt Schwerpunkt

Wegweiser zum Leben

Artikel drucken Die Zeitlosigkeit von Gottes Geboten: (Christine Ponsard)

Die Berufung des Menschen zu einem ewigen Leben bei Gott erfordert, dass wir uns im irdischen Dasein für diese Begegnung bereiten. Gottes Gebote sind zeitlos gültige – und nicht, wie unsere Zeit glaubt, beliebig manipulierbare – Weg-weiser dazu.

Wenn uns die Kirche die Gebote Gottes lehrt, so nicht, um uns zu unterdrücken oder uns etwas aufzuzwingen, sondern um uns den Weg zum ewigen Leben zu weisen. Das Gesetz Christi gleicht keinem anderen. Es ist weder ein Ratgeber für gutes Benehmen, noch ein strenger Moralkodex, noch die Geschäftsordnung eines Vereins. Es wird nicht von außen auferlegt, von den Lebensnotwendigkeiten diktiert. Es ist auch nicht mit Strafen bedroht nach dem Motto: „Wenn du Gott nicht anbetest oder deinem Nächsten schadest, wirst du, wie folgt, bestraft.“ Man könnte seine Sanktion eher so beschreiben: Der Mensch, der sich weigert, Gott anzubeten, bestraft sich selber, weil er sich von dem Glück abwendet, für das er geschaffen wurde.
Genauso ist es mit den Geboten: Sie weisen Wege des Lebens; sie zu befolgen, heißt nicht, einem Gesetz Folge zu leisten, sondern einer Lebensnotwendigkeit zu entsprechen. Wenn die Kirche daher von dieser oder jener Abweichung vom göttlichen Gebot davon spricht, es handle sich um eine Todsünde, dann setzt sie ein Alarmsignal: „Vorsicht, bei dieser Frage geht es um Leben und Tod!“ Das göttliche Gesetz offenbart dem Menschen, wozu er von jeher und für immer berufen ist. Daher kann es sich auch – im Gegensatz zu Anstandsregeln oder zum Strafgesetz – nicht mit der Zeit ändern, sich nicht an bestehende Sitten oder eine vermeintliche Richtung der Geschichte anpassen.
Ist es also starr, so etwas wie eine verstaubte, alte Tradition? Nein, es ist ewig – und das ist keineswegs das Gleiche. Es gilt für alle Menschen zu allen Zeiten, weil es sie im Tiefsten ihres Menschseins anspricht. Die Art, wie man das Gesetz im Leben umsetzt, mag sich ändern, aber seine Grundanforderungen bleiben bestehen, einfach weil sie in die Natur des Menschen eingeschrieben sind.
Verlangen wir daher nicht von der Kirche, dieses Gesetz zu ändern. Selbst wenn sie es wollte, sie könnte es nicht. Weder der Papst, noch die Bischöfe, noch irgendeine Versammlung – so einmütig sie auch sein möge – könnten den Menschen und dessen Berufung, an Gottes Glückseligkeit teilzuhaben, etwas ändern.
Die Kirche kann und soll ihre Verkündigung an die Bedingungen jeder Epoche und jeder Zivilisation anpassen; was aber das Grundsätzliche anbelangt, bleibt ihre Lehre dieselbe und wird es immer bleiben. Würde sie darauf verzichten, Gottes Gebote zu verkünden, „ob man sie hören will oder nicht“, wäre das ein Zeichen dafür, dass sie die Hoffnung – und gleichzeitig allen Glauben und alle Liebe – verloren hätte. Würde sie vom göttlichen Gebot ablassen, wäre dies gleichbedeutend mit einem Verzicht auf das ewige Leben, auf das Heil, die Barmherzigkeit Gottes, auf die Seligkeit, die Er für den Menschen vorgesehen hat.
Die Gebote sind ein Geschenk der Barmherzigkeit Gottes, sie markieren den Weg, damit wir nicht in die Irre gehen, ähnlich wie Wegweiser. Es ist die Art, wie Gott uns bei der Hand nimmt, um uns zu Ihm zu führen. Nur im Licht dieser Barmherzigkeit kann man sie verstehen und im Leben umsetzen. Vergessen wir das nicht, besonders wenn wir uns bemühen, sie im Umgang mit unseren Kindern umzusetzen: Wir müssen gleichzeitig fordernd und barmherzig sein.
Fordernd – darauf zu verzichten, würde bedeuteten, es an Hoffnung und Liebe mangeln zu lassen. Barmherzig – denn ohne Barmherzigkeit erdrückt das Gesetz, ist es unerträglich, ja zerstörerisch. Wir müssen mit den Schwierigkeiten, mit denen jedes Kind, jeder Jugendliche zu kämpfen hat, rechnen; bleiben wir daher verfügbar, mitfühlend und sanft – dennoch aber fest und treu. Entfernen wir uns nur ja nicht von dem, der fällt, aber finden wir uns nicht damit ab, dass er am Boden liegt. Halten wir den verlorenen Sohn nicht zurück, halten wir gleichzeitig aber auch unablässig Ausschau nach ihm.
Dazu müssen wir selbst bereit sein, Gottes Gesetz und Seine Barmherzigkeit anzunehmen – und zwar nicht das eine ohne das andere. Lassen wir zu, dass Gott anspruchsvoll mit uns ist, begnügen wir uns nicht mit Halbheiten, einem mittelmäßigen Leben. Wir können sicher sein, dass wir in der Treue zu Gottes Geboten bis zur letzten Sekunde unseres irdischen Lebens voranzuschreiten vermögen. Nur nicht aufgeben unter dem Vorwand, das sei zu schwierig, wir seien zu tief gefallen oder von Gott zu weit entfernt! Denn Gott seinerseits lässt nie davon ab, für jeden von uns das Beste zu wollen.
Dabei darf jedoch nicht darauf vergessen werden, dass dieses Beste nicht mit den Fäusten erobert werden kann. Man empfängt es aus Barmherzigkeit. Gottes Gebote wahrhaft und in wahrer Liebe zu leben, vermögen wir nur, wenn wir uns unaufhörlich vom Herrn wieder aufrichten lassen, wenn wir aus der Tiefe unserer Armut nach Ihm schreien, alles von Ihm und nicht von unserer eigenen Tugend erwarten.

Aus Famille Chrétienne v. 26.1.02

© 1999-2023 Vision2000 | Sitz: Hohe Wand-Straße 28/6, 2344 Maria Enzersdorf, Österreich | Mail: vision2000@aon.at | Tel: +43 (0) 1 586 94 11