VISION 20005/2004
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So bleibt die Liebe erhalten

Artikel drucken Keuschheit und Scham: Auch heute wichtige Werte (Von Weihbischof Andreas Laun)

Dem Dauerfeuer sexueller Motive ausgesetzt, geht leicht der Sinn für wesentliche Aspekte der Sexualität verloren. Im folgenden eine Klarstellung. Sie rückt auch Begriffe wie Keuschheit und Scham ins rechte Licht.

Ein Fleisch-Werden ist für ehelich Liebende gelöste, vorbehaltlose Hingabe, sie erleben es als ehrfurchtgebietendes Wunder, als ein gegenseitiges Geschenk und ein, könnte man mit Johannes Paul II. ergänzen, “religiöses Ereignis". Die Feier der Vermählung wird mit Recht eine Hoch-Zeit genannt, umgeben von Glanz und Freude. Diese Liebe ist ehrfürchtig, rein, sie hat keinen Grund, sich vor dem Antlitz Gottes zu verbergen (wie Adam und Eva nach dem Sündenfall).

Gelöst von der Liebe hingegen und bestimmt von bloßem Begehren, verändert sich die “Qualität" des Sexuellen. Das Wunder der Liebe weicht einem nur noch frivolen, aufreizenden, verführerischen Zauber, es wird zum giftig-süßen Sirenengesang, der den Menschen zu seinem Verderben umnebelt, berauscht und befleckt.

Das, was Geheimnis der Liebe sein sollte, nimmt unheimliche, im äußersten Fall dämonische Züge an. Wer sich ihm ausliefert, wird taub für die Stimme der Liebe, sein Herz wird kalt, er trägt etwas in sich, was mit der Liebe nicht mehr vereinbar ist.

Statt zu vereinen trennt, die Begierde, an die Stelle des Sich-Schenkens tritt ein Sich-Wegwerfen, Verrat an sich und dem anderen. Während das eheliche Ein-Fleisch-Werden mit Gott zu tun hat, ist die bloß begehrende Vereinigung Sünde, vergleichbar einer ohne Andacht, aus Berechnung empfangenen Kommunion.

(...)Weil es keine anderen Menschen als sündige Menschen gibt, ist jede Liebe von der Sünde bedroht. Wer das leugnet, kennt weder das Leben noch sich selbst.

Der Ablauf der sexuellen Begegnung ist zwar immer “derselbe" und doch ganz anders, wenn er von der Liebe beseelt ist, als wenn die Umarmung nur ein “sexueller Judaskuß" ist, hinter dem sich Selbstsucht, rücksichtsloses Begehren, gewohnheitsmäßiges Benützen des anderen zur Befriedigung des eigenen Bedürfnisses, Neugierde und Selbstbestätigung verbergen. Dann kann es Momente geben, in denen auch den verheirateten Menschen ihre “Umarmungen wie etwas Entsetzliches vorkommen, etwas Schandbares, Unrechtmäßiges, weil ihnen etwas fehlt, ja also doch die Wahrheit", wie Ingeborg Bachmann eine ihrer Figuren einmal sagen laßt. Die gemeinsame Wahrheit jeder sexuellen Begegnung ist die Liebe. Ohne sie wäre die Ehe wirklich der schlechte zweite Teil des erfolgreichen “Stückes von der Liebe", wie Nestroy angesichts der öde gewordenen Ehen witzig bemerkt!

Als Christ kann man hinzufügen: Was vielen Ehepaaren fehlt, ist die neue Liebe, die erst Christus in die Welt gebracht hat. Zur Bildung eines reifen Gewissens gehört es, den sexuellen Egoismus vom Verlangen der Liebe unterscheiden zu lernen und tatsächlich eine Art Kampf mit sich selbst zu führen: nicht um sich zu kasteien, sondern um der Liebe Platz zu schaffen - so wie wenn man eine Blume vom Unkraut befreit, das sie zu ersticken droht.

Die beiden Kräfte, die die Liebe schützen, sind die Keuschheit und die Scham.

Jene innere Haltung, die sich gegen jede auch noch so kleine Dosis sexuellen Mißbrauchs wehrt, heißt Keuschheit. Sie ist in einer Welt sexueller Ausbeutung - von der sexistischen Werbung über die Pornographie bis hin zur sexuellen Gewalt - eine Notwendigkeit für jeden Menschen, der seine Würde nicht verlieren will.

Sie ist nicht eine Gegenkraft zur Liebe, sondern deren Verteidigung und Immunsystem. Keuschheit ist die Herrschaft des Geistes, die die sexuellen Antriebe der Ordnung der Liebe unterordnet. Ohne Keuschheit gelingt die Liebe nicht, sondern geht früher oder später zugrunde! Insofern der sexuelle Trieb der Männer normalerweise stärker und impulsiver ist, betrifft sie der Anspruch der Keuschheit mehr als die Frauen.

Wenn die Keuschheit gegen das eigene, von der Liebe gelöste sexuelle Begehren steht, so schützt umgekehrt die Scham davor, selbst Objekt der Begierde anderer zu werden. Scham ist auch eine Form von Nächstenliebe, weil sie es dem anderen leichter macht, seine eigene innere Ordnung bezüglich sexueller Gedanken oder Versuchungen zu bewahren.

Weil es aber einer der Unterschiede von Mann und Frau ist, daß der Anblick einer Frau eine größere Rolle in der Beziehung der Geschlechter spielt als das Äußere des Mannes, hat man zu allen Zeiten gewußt: Scham ist mehr eine Aufgabe der Frau als des Mannes. Das zu sagen, ist nicht das geringste Zugeständnis an irgendeine Art von “Doppelmoral"!

Falls es nötig ist, es auszusprechen: Selbstverständlich betrifft das Gebot, den anderen sexuell nicht Richtung Sünde zu provozieren, beide Geschlechter. Aber - “aufreizende" Kleider gibt es eben nur für Frauen und höchstens in einem eher unbedeutenden Sinn auch bei Männern. Die Scham des Mannes betrifft kaum seine Kleidung, viel eher sein sonstiges Verhalten, vor allem sein Reden.

Weniger Nacktheit und “mehr Schleier" empfahl in einem Interview die bekannte Schauspielerin und Tänzerin Marika Rökk den Frauen. Sie hat Recht: Frauen ist es keineswegs verboten, ihre Weiblichkeit zur Geltung zu bringen, sie dürfen den Männern gefallen und auch gefallen wollen.

Aber derbe Nacktheit und ordinär-verführerische Aufmachung sind Signale, die die Männer einladen, sie als Objekt der Lust zu gebrauchen: Schamlosigkeit steht der Liebe und dem wirklichen Geliebtwerden im Weg, Scham (nicht Prüderie!) schützt die Würde des Menschen und bewahrt jene Atmosphäre, in der die Liebe entstehen kann. Die “Fleischeslust" (im alten, biblischen Sinn des Wortes) steht im Gegensatz zur Liebe, sie macht den Menschen blind und unempfindlich für deren Schönheit.

In Anlehnung an gängige Begriffe von heute könnte man auch sagen: Keuschheit und Scham sind der aktive Umweltschutz im Intimbereich, durch den der Lebensraum der Liebe erhalten bleibt.

Auszug aus dem sehr empfehlenswerten Buch: Liebe und Partnerschaft aus katholischer Sicht. Von Andreas Laun. Franz-Sales-Verlag, Eichstätt 2001, 224 Seiten.

Diese und andere Bücher können bezogen werden bei: Christoph Hurnaus, Waltherstr. 21, 4020 Linz, Tel/Fax: 0732 788 117; Email: hurnaus@aon.at

 

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