VISION 20005/2004
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Vom alten zum neuen Bund

Artikel drucken Kardinal Lustiger über Christen und Juden

Faszinierend das Buch, das Jean-Marie Kardinal Lustiger, Erzbischof von Paris, geboren 1926 als Sohn polnischer Juden, geschrieben hat. In einfühlsamer Sprache, kompetent, von tiefem Glauben und großer Demut getragen, setzt er sich für die Sendung ein, “die das Wort Gottes den Juden und den Christen anvertraut hat, um die Menschheit zum Bewußtsein ihrer Einheit und ihrer einzigen Berufung zu führen."

Der erste Teil des Buches entstand vor drei Jahrzehnten bei Einkehrtagen vor Ordensschwestern in Israel. Lustiger zeigt auf, wie Jesus selbst die Frohe Botschaft ist, wie der verheißene Geist, der Israel Treue schenkt, auf Ihm, dem Gesalbten ruht. Er sieht die christliche Gnade in der Erfüllung dessen, was Israel noch erhofft, und in der Teilnahme an der Sendung des Messias - aus menschlicher Sicht unerträglich, “Ärgernis und Torheit" - und doch eingetaucht in das Sakrament der Eucharistie.

Am tiefsten berührten mich die starken Worte Lustigers über die Erwählung Israels: “Anstatt als Gabe anzunehmen, was Gott Israel geschenkt hat, wird den Juden jegliche Würde abgesprochen, um sie in der Verfolgung erledigen zu können." Und: “Wenn man es gewagt hat, bezüglich Israel und Christus von Gottesmord zu sprechen, so müßte man bezüglich der christlich genannten Völker und dem, was die dem jüdischen Volk angetan haben, von Gottesmord sprechen. Denn es gilt für den einen, was für den anderen gilt: Ablehnung Christi, so wie er sich hingibt. Haß auf die Erwählung, so wie Gott sie schenkt."

Der zweite Buchteil enthält Zeugnisse des Autors von 1995 bis 2002 vor den wichtigsten jüdischen Organisationen, die das kühne und liebevolle Werk Johannes Paul II. zur Kenntnis genommen haben. Lustiger fordert die Christen auf, das jüdische Volk, die Bedeutung seiner Erwählung neu zu entdecken. Auschwitz hat die Geschichte nicht angehalten. Christen und Juden werden sich gegenseitig als notwendig füreinander entdecken.

Der Autor geht auf praktische Schritte des Kennenlernens ein, auf Übereinstimmungen, Vorbehalte, Empfindlichkeiten, Sehfehler und hebt die gemeinsame Sorge um den Universalismus hervor (“Die Verteidigung der Religionsfreiheit führt uns heute zur Ablehnung eines Staates, der sich heilige Autorität anmaßt und Macht über die Gewissen, was Gott allein zukommt.")

Lustiger räumt im Vorwort ein, daß der erste Teil seines Buches dem jüdischen, der zweite Teil dem christlichen Leser überzogen und verwirrend erscheinen mag. Er trifft damit gut meine christliche Befindlichkeit. Dennoch hat er mir die Augen geöffnet und eine neue Hoffnung erschlossen: “Die Begegnung von Juden und Christen ist für beide notwendig, um zu verstehen, was Gott von ihnen vielleicht verlangt: Inspirationsquelle für den Frieden und den Segen aller zu sein."

Helmut Hubeny

Die Verheißung. Vom alten zum Neuen Bund. Von Jean-Marie Kardinal Lustiger. St. Ulrich Verlag, Augsburg 2003

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