VISION 20002/2015
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Die ratlose Welt von heute braucht Jesus Christus

Artikel drucken Ãœber eine Gesellschaft, in der die Wahrheit suspekt ist (Christof Gaspari)

Es ist erstaunlich, wie sehr die religiöse Dimension heute aus dem öffentlichen Leben unserer Gesellschaft verschwunden ist. Alle wichtigen Entscheidungen werden ohne Gottesbezug ge­troffen. Diese weitgehende Ver­weltlichung bleibt jedoch nicht ohne Folgen auf das Glaubensverständnis der Christen.

Versuchen wir zunächst ansatzweise unser geistiges Umfeld zu erfassen. Es ist geprägt von einem Denken, das dem Menschen suggeriert, er könne sein ganzes Glück hier auf Erden finden: durch vermehrten materiellen Wohlstand, durch weitgehend gesicherte Gesundheit bis ins hohe Alter, durch geeignete Ausbildung und fortschreitende technische Verbesserungen. Bildung, Forschung und Entwicklung quasi als Instrumente des Heils.
Diese hier nur grob skizzierte Vorstellung, ein möglichst lustvolles Leben sei die Erfüllung des Menschen, steht als selbstverständliches, unhinterfragbares Dogma im Raum. Sie konzentriert sich auf das Hier und Jetzt und sieht von jeglicher Transzendenz ab. Dieser Laizismus gebärdet sich zunehmend aggressiv als Weltanschauung mit Deutungshoheit. Er ist somit so etwas wie eine Religion – nur ohne Bezug zum Übernatürlichen. Der französische Unterrichtsminister Vincent Peillon spricht ausdrücklich von einer „republikanischen Religion“. Die Schule müsse „eine neue Kirche“ hervorbringen „mit einem neuen Klerus, einer neuen Liturgie, neuen Gesetzestafeln“.
Der Laizismus steht somit in Konkurrenz zu den Religionen, die um die Bedeutung des Übernatürlichen wissen und in unterschiedlichen Formen dem Göttlichen Rechnung tragen: durch Lehre, Kult, Lebensregeln, vor allem aber mit dem Anspruch, den Sinn der menschlichen Existenz zu deuten… Und damit geraten sie in Konflikt mit dem Laizismus, sobald sie nicht mit dessen Dogmen übereinstimmen.
In diesem Konflikt steht auch die katholische Kirche. Im Gefolge des 2. Vatikanums, das den Religionen zubilligte, in ihren Lehren durchaus auch Wahrheiten zu vertreten, verbreitete sich durch eine überzogene Interpretation dieser Feststellung unter Christen eine Gesinnung, alle Religionen mit Gottesbezug hochzuschätzen – standen sie doch ebenfalls im Widerspruch zur um sich greifenden Gottlosigkeit. Sollten sich nicht alle, die einen Sinn für das Übernatürliche haben, zusammentun, um gegen die Gottvergessenheit aufzutreten?
Von dieser Sichtweise haben auch östliche und esoterische Ansätze (siehe S. 8-9) profitiert, die im christlichen Raum viel Anklang fanden. Im Gegenwind des agnostischen Laizismus war man dankbar für alles, was dem Transzendenten Bedeutung zumaß. Der gemeinsame Feind schien die Bedrohung zu sein, alles Göttliche könnte aus der Welt eliminiert werden. Diese Sorge erleichterte das Zusammenrücken der „Religionen“. Die massive Zuwanderung von Muslimen nach Europa erfordert ebenfalls ein Arrangement mit einer Religion, die Jahrhunderte hindurch als Bedrohung erlebt worden war. Bestärkt wurde man in dieser Sichtweise durch interreligiöse Gespräche und Gebetstreffen oder Vorschläge wie den des Ex-Präsidenten von Israel Schimon Peres, eine „UNO der Religionen“ zu gründen.
Diese Entwicklung hin zum Dialog der Religionen wurde von den laizistischen Kräften durchaus mit Wohlwollen begleitet, standen die entsprechenden Treffen doch stets unter dem Zeichen, gemeinsam dem Frieden, der Verständigung der Völker, dem Miteinander der Menschen zu dienen. Diese Spielwiese überlässt man den Religionen gern. Dort sind sie ja nützlich. Insofern sie sich nämlich als nützlich erweisen, sind dem Laizismus Religionen ja durchaus willkommen: insofern sie Kinder zu guten, leistungsfähigen Staatsbürgern erziehen, sich karitativ betätigen, das kulturelle Erbe und die Umwelt pflegen und soziale Dienstleistungen wie Krankenpflege, Obdachlosenfürsorge oder Altenbetreuung erbringen. So gesehen, gibt es auch für die heutige Welt „gute Religionen“, vorausgesetzt, sie treten in der Öffentlichkeit leise und stellen sich nicht gegen den Zeitgeist.
Aus laizistischer Sicht geschätzt werden religiöse Treffen auch noch aus einem anderen Grund: Sie tragen dazu bei, dass im Bewusstsein vieler, die Besonderheit des Glaubens der einzelnen Religionen relativiert erscheinen. Für viele entsteht der Eindruck: Da kommen eben Leute zusammen, die alle irgendwie an Gott  glauben. Jeder habe eben seinen eigenen Zugang, erkenne einen Teil der Wahrheit. Der eine sehe das so, der andere anders – da müsse man großzügig sein. Sonst käme ja auch kein Dialog auf Augenhöhe zustande. Was Gott betrifft, könne man ohnedies nichts Endgültiges sagen. Nur ja kein Fundamentalismus!
Dabei wird jedoch übersehen: Das Wissen um die Bedeutung der Transzendenz und die Bemühungen, mit dieser in Verbindung zu treten, verbinden nicht wirklich, denn alles entscheidet sich ja an der Frage, wer oder was einem aus der Transzendenz entgegenkommt. Religion wird überhaupt erst spannend, wenn man der Frage nachgeht: Was geschieht da, wenn man sich mit der Transzendenz einlässt? Kommt einem da ein Jemand oder ein Etwas, eine Person oder eine Kraft entgegen? Und wenn es ein Jemand ist: Wer und wie ist er? Welche Wege weist er für ein erfülltes Leben? Daran entscheidet sich letztlich alles.
Man bedenke: Auch der Satanist lässt sich auf eine jenseitige Macht ein, rechnet mit deren Eingreifen und Wirken – und macht auch dementsprechende Erfahrungen! Auch der Esoteriker bekommt beim Tischerlrücken oder beim automatischen Schreiben übersinnliche Botschaften und Wegweisungen. Die Frage ist nur: Wer steckt hinter all dem?
All das ist zu bedenken, wenn wir von den Religionen sprechen. Gemeinsam haben sie, dass sie um das Eingebettet-Sein der menschlichen Existenz in einen größeren, transzendenten Sinnzusammenhang, der das ganze Leben mitbestimmt, wissen. Aber sie unterscheiden sich oft fundamental in ihren Aussagen über die Art, wie diese Beziehung zur Transzendenz im Leben umzusetzen sei – auch wenn es in manchen, vielleicht sogar in vielen Fragen Übereinstimmungen geben mag: etwa wenn es um das friedliche Zusammenleben der Menschen, um die Bedeutung von Ehe und Familie, um den Umgang mit der Schöpfung geht. Aber selbst in diesen Bereichen treten bei näherem Hinsehen oft tiefgreifende Unterschiede auf. Man denke nur an die Stellung der Frau im Islam, im Hinduismus – im Vergleich zum  Chris­tentum.
Fassen wir zusammen: Bei allem Respekt vor den Bemühungen, mit andersgläubigen Menschen ins Gespräch zu kommen, dürfen wir nicht der Versuchung erliegen, den christlichen Glauben als bloß einen der respektablen Zugänge zu Gott zu relativieren. Es gilt vielmehr, das Einmalige an unserem Glauben klar ins Auge zu fassen. Als Christen sind wir nicht primär Mitglieder einer Religionsgemeinschaft unter vielen anderen, sondern Jünger Christi, Kinder Gottes, die in die Gemeinschaft des Mensch gewordenen Gottes aufgenommen, aus dem Wasser und dem Heiligen Geist neugeboren und somit eine neue Schöpfung, ein Tempel des Heiligen Geistes sind. Denn in Christus hat Gott uns erwählt, wie es im Epheserbrief heißt, „vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott (…) zum Lob seiner herrlichen Gnade.“ (Eph 1,4.6)
Noch einmal: Bei aller Notwendigkeit, respekt- und liebevoll auf Andersgläubige zuzugehen, dürfen wir nicht die Einmaligkeit unseres christlichen Glaubens aus den Augen verlieren!
Verlieren wir diese einmalige, herrliche Berufung nicht allzu leicht aus dem Blick? Und wird sie uns ausreichend nahegebracht? Haben nicht viele Theologen – besonders im deutschsprachigen Raum – mit großem „wissenschaftlichem“ Aufwand dazu beigetragen, dass die Einmaligkeit der Offenbarung durch Jesus Christus aus dem Bewusstsein so vieler verschwunden ist? Da wurde das Neue Testament unter dem Blickwinkel eines engen naturwissenschaftlichen Weltbildes zerpflückt: Da hatten weder Wunder, noch Prophezeiungen Platz und natürlich kein Eingreifen Gottes in die Geschichte. Die „Jungfrau“ wurde zur „jungen Frau“, Jesus zum Sohn des Joseph, die Wundertaten Jesu zu Versuchen der Evangelisten, das Faszinierende der Person Jesu für seine Zeitgenossen darzustellen, die Auferstehung des Herrn zu einem Erzählmodus, der den inneren Vorgang in der Psyche der Jünger deutet, warum für sie „die Sache Jesu weitergegangen“ ist.
So verlor für viele das Neue Testament den Charakter, vom tatsächlichen Leben, Sterben und Auferstehen des Jesus von Nazaret zu berichten und es wurde zu einer Sammlung von Lehrgeschichten, deren Deutung Experten obliegt. Kardinal Joseph Ratzinger kennzeichnet diese Fehlentwicklung in seinem Buch Glaube, Wahrheit, Toleranz (siehe S. 10) wie folgt: „So liegt es von daher auch nahe, die christlichen Inhalte ins Symbolische zurückzunehmen, ihnen keine höhere Wahrheit zuzusprechen als den Mythen der Religionsgeschichte – sie als Weise der religiösen Erfahrung anzusehen, die sich demütig neben andere zu stellen hätte. In diesem Sinn kann man dann – wie es scheint – fortfahren, ein Christ zu bleiben; man bedient sich weiterhin der Ausdrucksformen des Christentums, deren Anspruch freilich von Grund auf verändert ist: Was als Wahrheit verpflichtende Kraft und verlässige Verheißung für den Menschen gewesen war, wird nun zu einer kulturellen Ausdrucksform des allgemeinen religiösen Empfindens, die uns durch die Zufälle unserer europäischen Herkunft nahegelegt ist.“
Was also tun? Uns nicht verunsichern lassen, sondern uns vom Glauben der Heiligen aller Zeiten anstecken lassen. Sie haben ihr ganzes Vertrauen auf Jesus Christus gesetzt. Auf diese Grundentscheidung kommt es an, wie es Papst Benedikt am Anfang seiner Enzyklika Deus Caritas est deutlich macht: „Wir haben der Liebe geglaubt: So kann der Christ den Grundentscheid seines Lebens ausdrücken. Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt.“
Nützen wir die Chance, uns neu auf diese Begegnung auszurichten. Die Fastenzeit bietet die Gelegenheit, sich bewusst für das Wirken des Dreifaltigen Gottes zu öffnen, damit in dieser armen, weil gottlosen Welt erfahrbar wird: Jesus Christus ist der Retter der Menschen, Er hat bereits den Sieg errungen, ein Leben an Seiner Hand ist wirklich heilsam, erfüllend, wunderbar, frohmachend. Mit Ihm können Ehen durch alle Krisen hindurch gelingen, Feindschaften begraben werden, Familien trotz vielfacher Probleme in Frieden zusammenleben, große Sorgen, sogar schweres Leid, ja ein grausamer Tod ertragen werden …
Unsere ratlose Welt braucht Jesus Christus – dringender denn je!


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