VISION 20002/2015
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Der lebendige Christus macht das Christentum aus

Artikel drucken Bekehrung eines Inders (Von Urs Keusch)

Religiös besonders begabt und interessiert war der Inder Sad­hu Sundar Sing von Kind auf – und dennoch ruhelos, stets auf der Suche nach Frie­den, bis er diesen endlich fand: in der Be­gegnung mit Jesus Christus. „In Christus habe ich gefunden, was mir Hinduismus und Buddhismus nicht geben konnten,“ schrieb er im Rückblick.
 
Es gibt Menschen, die scheinen dazu ausersehen zu sein, die ganze Last der Menschheitsfrage zu tragen: „Wie finde ich Frieden für mein Leben? Frieden, Sinn, Erlösung von der Qual meiner Unerlöstheit?“ Diese innere Qual kann Menschen in einer Weise bedrängen, dass sie lieber sterben wollen, als ohne diesen Frieden weiter zu leben. Wir kennen das aus dem Leben vieler großer Christen bis hinauf in unsere Gegenwart: Aurelius Augustinus, Blaise Pascal, Edith Stein, Charles de Foucauld, Simone Weil....
 Ein solcher Mensch war auch der Inder Sadhu Sundar Sing, eine leuchtende Christusgestalt des 20. Jahrhunderts, die heute leider kaum mehr bekannt ist. Er entstammte einer alten, sehr begüterten Sikhfamilie im Dorfe Rampur (Staat Patiala). Von frühester Kindheit an war er religiös hoch begabt und kannte schon mit sieben Jahren die ganze Bhagavad  Gita (Schrift des Hindu) auswendig.
Mit leidenschaftlichem Eifer setzt Sundar Singh das Studium der heiligen Schriften fort, vor allem des Granth (der „Bibel“  der Sikhs), der Upanishaden und auch des Korans. Er meditiert täglich oft mehrere Stunden, übt sich auch in der Psychotechnik des Yoga. Es gelingt ihm schließlich, sich in Trance-Zustände zu versetzen. Aber das, was im Tiefsten seines Herzens an ihm reißt – die Sehnsucht nach Erlösung, nach Frieden –, findet er nicht. „Ich versuchte, Ruhe zu finden durch die Mittel, welche die indischen Religionen anbieten, aber ich konnte da nichts finden.“
In der Missionsschule seines Heimatortes (Presbyterianer) wird er auf die Bibel verwiesen. Er weist sie mit förmlichem Hass von sich, auch wenn er heimlich Stellen daraus gelesen hatte. Sundars Abneigung gegen das Christentum wurde so glühend, dass er der Kopf einer eigenen Vereinigung von Schülern wurde, die erklärte Feinde des Christentums waren. Wiederholt zerriss er demonstrativ die Bibel und warf sie ins Feuer. Er sah in den christlichen Missionaren nichts als Verderber ihrer Religion.
Aber es gab ein Wort aus der Bibel, das sich wie ein Stachel in seinem Herzen festgesetzt hatte: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken ... Und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen.“ (Mt 11, 28f.)
Die Friedlosigkeit und die Qual der inneren Unruhe erreichte ihren Höhepunkt. Sundar Sing will sich töten. Er ist 15 Jahre alt. Am 18. Dezember 1904 will er sich in der Früh um 5 Uhr vor den Zug werfen, der nahe an seinem Haus vorbeifährt. „Vielleicht werde ich im jenseitigen Leben die Ruhe finden.“
Um drei Uhr in der Früh nimmt er sein rituelles Bad und fängt an, aus seiner bejammernswerten Not heraus zu beten. Gegen halb fünf Uhr erfüllt sich sein Zimmer mit Licht. Er glaubt, das Haus stehe in Flammen. Er öffnet die Tür, aber es ist nirgends Feuer.
So schließt er die Tür und betet weiter. Da sieht er auf einmal vor sich – wie in einer lichten Wolke – das in herzlicher Liebe strahlende Angesicht eines Menschen. Er glaubt, es sei Krishna, Buddha oder sonst eine Hindugottheit und will sich niederwerfen und anbeten. Da vernimmt er (auf Hindustani) die Worte: „Warum verfolgst du mich? Gedenke, dass ich für dich mein Leben am Kreuz dahingab.“ Und Sundar Sing erblickt die Wundmale des Herrn. Es ist Jesus von Nazareth, den er noch vor wenigen Tagen glühend gehasst hatte.
Jesus zeigte keinerlei Spur von Zorn in seinem göttlichen Erscheinen. Es war nur Milde und Liebe auf seinem Angesicht. Friede und Freude erfüllt nun Sundar Sings Seele, sie „trugen den Himmel in sein Herz hinein“. Als Sundar Singh sich erhoben hatte, war der Herr  verschwunden. Und Sein wunderbarer Friede hatte ihn von da an nie mehr verlassen.
„Was andere Religionen in vielen Jahren nicht zu Wege bringen konnten, das tat Jesus in einigen Sekunden. Er erfüllte mein Herz mit unendlichem Frieden“, verkündete Sundar Sing später immer wieder. „Als er sich mir offenbarte, sah ich seine Herrlichkeit, und ich wusste, dass es der lebendige Christus war.“
Von da an begann für Sundar Singh ein hartes und entbehrungsreiches Leben. Sein Bekenntnis zu Christus brachte seine ganze Familie gegen ihn auf. Er wurde verfolgt und als Abtrünniger und Betrüger gebrandmarkt. Die ganze Bevölkerung war gegen ihn. Er musste sein Land verlassen. Das Gift, das einer seiner Angehörigen seiner Abschiedsmahlzeit beigemischt hatte, brachte ihn an den Rand des Grabes. Am 3. September 1905, an seinem 16. Geburtstag, empfing er nach anglikanischem Ritus die Taufe.
Nun trat der 16-Jährige „den Gang in die Heimatlosigkeit“ an, wie schon viele Sadhus vor ihm. Er ging barfuß, ohne Schutz vor wilden Tieren, ohne alle Habe bis nach Tibet und Nepal. Er wurde nach England, Amerika und Australien eingeladen. Im Jahre 1922 folgte er zahlreichen Einladungen aus Europa: nach Deutschland, Holland, Schweden, Norwegen… Der Eindruck, den er auf die Menschen machte, war gewaltig. Man glaubte, den Apostel Paulus zu sehen und zu hören. „Er steht Christus näher als irgendein lebender Mensch, den wir geschaut haben“ (Frank Buchman). Bei seinen Predigten fielen die Leute auf die Knie.
Doch für Sadhu Sundar Sing sollte der Aufenthalt in den westlichen Ländern zur denkbar größten Enttäuschung werden. Er musste sehen, wie (1922!) der größte Teil der Christen in Mammongier und Genusssucht verstrickt  war und wie die Botschaft Christi gering geschätzt wurde. Er musste an jene hinduistischen Gegner denken, die ihm die Dekadenz des abendländischen Christentums und die Überlegenheit indischer Religiosität und Seelenkultur entgegen gehalten hatten. „Ich bedaure, euch sagen zu müssen: Bevor ich die sogenannten christlichen Länder besuchte, ging es mir geistlich besser als jetzt. Ich war entsetzt, als ich dorthin kam und die Finsternis sah, die so nahe beim Licht liegt. Hätte ich davon gewusst, so wäre ich niemals dorthin gegangen.“ (Aus einer Predigt)
1929 – er ist 40-jährig – bricht Sadhu Sundar Singh erneut nach Tibet auf, um dort den Menschen das Evangelium zu bringen. Er kam nicht mehr zurück. Man vermutet, dass er dort den Martertod gefunden hat. In Sundar Sing ist Wahrheit und Geheimnis des Christentums wieder in hellem Licht aufgestrahlt: „Wäre Christus nicht gestorben und würde er nicht leben, so hätte das Christentum der Welt um nichts mehr bringen können als die anderen Religionen. Es ist der lebendige Christus, der das Christentum ausmacht.“


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