VISION 20004/2015
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Macht die Augen auf – und freut Euch des Lebens!

Artikel drucken Kampfansage an die um sich greifende Freudlosigkeit (Von Weihbischof Andreas Laun)

Angesichts der dunklen Wolken, die drohend über der ganzen Erde liegen – wie bereit zu Stürmen und Blitzen – ist es geradezu eine Versuchung, gebannt auf die Gefahren und den allgegenwärtigen Tod zu schauen und nicht mehr auf die Gründe unserer Hoffnung und auf die Schönheit des Lebens! Ein Appell, dieser Versuchung zu widerstehen.
 
Ja natürlich, ein „schönes Leben“ wünscht sich jeder, aber ebenso wahr ist es, dass das „schöne Leben“ nicht für alle erreichbar zu sein scheint: aus Gründen der Armut, der Einsamkeit oder wegen Kriegen  und Vertreibungen, also wegen von Menschen gemachten Katastrophen. Natürlich gibt es auch die Naturkatastrophen, bei denen Menschen nach Gott fragen, oft nur anklagend – und was es sonst noch alles gibt, was die Menschen aller Freude beraubt!
Nein, das alles kann man nicht „schönreden“, der Versuch dazu könnte geradezu als Verhöhnung verstanden werden. Es ist nicht falsch zu sagen, die Erde ist oft und für manche immer ein „Jammertal“, ein Ort des Weinens und des Leidens.
Das ist wahr, aber wahr ist auch: Gott sah alles, was Er geschaffen hatte, und Er sah, „dass es gut, ja sogar sehr gut war!“ Und in diesem Urteil Gottes steckt die große und wichtige Wahrheit: Die Schöpfung ist gut für den Menschen, die Erde ist für Mensch und Tier ein „guter Ort“zu leben! Wenn sie es nicht zu sein scheint, sollten wir zuerst auf uns, auf unser Tun und Verhalten schauen!
Ich höre den Einwand: Unsinn, und wenn jemand schon so biblisch anfängt, sollte er weiterlesen. Dann findet er die Geschichte von der Sünde und ihren Folgen, die uns aus dem Paradies vertrieben und die Erde wirklich zu einem Jammertal gemacht haben. Zudem, Gott selbst hat den Menschen doch vorausgesagt, was ihnen jetzt bevorstehen wird. Dazu sollte man allerdings sofort auch bedenken: Gott hat seinen sündigen Menschen auf ihrem Weg die Hoffnung mitgegeben, Er hat den Dialog mit seinen Kindern nicht abgebrochen, nicht einmal mit Kain – auch nicht mit dessen mörderischen Nachfolgern, auch nicht mit den sonstigen Sündern!
Ist die Erde jetzt nicht mehr ein Ort der Freude, sondern nur noch Jammertal? Der Verweis auf die Sünde und ihre Folgen ist – wenn er pauschal und apodiktisch gemeint ist – nicht wirklich katholisch. Denn die Kirche lehrt: Die Sünde hat die menschliche Natur und wohl überhaupt die Schöpfung nicht ins absolut Böse und Gefährliche gedreht und damit total „zerstört“, sondern „nur verwundet“. Schlimm genug, ja, aber diese „Wunde“ kann heilen und geheilt werden, kann mehr oder weniger schmerzhaft sein und vor allem: Sie lässt Raum für Glück und Freude offen!
Ja, wir „müssen“ unser Kreuz tragen, sogar annehmen, aber ebenso gilt: Nehmt die Freude, die Gott euch schenkt, dankbar an. Prüft sie, ob sie eine „nachhaltige“, „gute“, wirklich von Gott kommende Freude ist, aber dann, nach dieser Prüfung seid fröhlich, freut euch, macht die Augen auf und „freut euch des Lebens“.
Die erste große Freude, die nicht verloren ging, ist die Liebe! Denn auch das steht in der Bibel schon im Schöpfungsbericht: Adam wandte sich mit Freude den Tieren zu. Aber dann, als er merkte, dass auch die schönsten und liebsten Tiere ihn nicht wirklich glücklich machten, fühlte er sich einsam. Es wurde ihm bewusst, dass ihm etwas fehlte.
Da griff Gott ein und schuf die Frau für seinen vereinsamten Adam. Und was tut dieser? Er stößt einen Schrei der Freude aus! Und dieser Freudenschrei „Endlich…!“ angesichts des sich Findens von Mann und Frau, ihres Einswerdens in der ehelichen Umarmung  und im Alltag des Lebens tönt seit damals durch die Geschichte der Menschheit, wieder und wieder, jedes Mal neu! Und doch ist es immer wieder derselbe Freudenschrei, der, wenn die Ehe nach Gottes Ordnung in Zärtlichkeit und Liebe wieder erklingt! Erst recht, wenn sie einander lieben wie Christus seine Kirche und wie die Kirche Christus liebt!
Und der Ruf der Freude setzt sich fort bei der Geburt eines jeden Kindes, wie Jesus selbst es gesagt hat (Joh 16,21). „Wenn die Frau gebären soll, ist sie bekümmert, weil ihre Stunde da ist; aber wenn sie das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an ihre Not über der Freude, daß ein Mensch zur Welt gekommen ist.“ Dasselbe sagte der Engel des Herrn (Lk 1, 58) dem Zacharias, dessen Frau kinderlos war: „Fürchte dich nicht, Zacharias! Dein Gebet ist erhört worden. Deine Frau Elisabet wird dir einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Johannes geben. Große Freude wird dich erfüllen, und auch viele andere werden sich über seine Geburt freuen.“
Man muss wirklich nicht Christ sein, um diese Bibelstellen annehmen zu können, sie entsprechen der Erfahrung aller Völker und Zeiten! Dabei lässt sich nicht übersehen: Wie verrückt ist unsere Zeit geworden, dass sie Kinder, Mutterschaft und Vater-Werden wie eine Bedrohung darstellt! Ständig wird darüber nachgedacht, wie man Kinder noch besser verhüten könnte und die Frauen, wenn sie doch ein Kind haben, von dieser „belastenden“ Situation möglichst rasch befreien kann – durch Verstaatlichung des Kindes so früh wie möglich! So früh wie möglich und so totalitär wie möglich, indem die Schule alles übernimmt.
Alles, ja sogar die Einführung in das Geheimnis der Sexualität will der Staat an sich reißen und ersetzt dabei klammheimlich die wunderbare Intimität der Liebe durch eine Art kalter Technik, wie man zu möglichst „vielfältigen“ sexuellen Genüssen kommt, reuelos, treulos und vor allem für sich selbst! Kein guter Nährboden für Freude am Leben.
„Romeo und Julia“ oder „Fidelio“? Nur noch Märchen, die angeblich mit dem „Menschen von heute“ nichts zu tun haben, zumal der „Mensch von heute“ selbst eine Erfindung ist, mit deren Hilfe man den wirklichen Menschen in ein „politisch korrektes“ manipulierbares Lebewesen verwandeln will.
Wahr ist: Diese moderne Welt befreit die Frauen nicht, sondern unterdrückt sie, beraubt sie ihrer besonderen Würde – vor allem auch der Freude, Gattin und Mutter zu sein! Denen, die sich in unserer Zeit selbst verbieten, sich Kinder zu wünschen, sei empfohlen, einmal eine Familie mit Kindern zu besuchen. Dieser Besuch kann sogar in einem Slum stattfinden: Da kann man sehen, wieviel Freude Kinder machen! (Und die Ausnahmen, die es gibt, sind kein Gegenbeweis.)
Nicht nur die Bibel, alle Kulturen und Religionen haben Kinder als Geschenk Gottes verstanden und Kinderlosigkeit als schweres Leid empfunden.
Noch viel schlimmer und widernatürlich ist unsere Zeit, in der man sich darin gefällt, die ungeborenen Kinder zur Tötung freizugeben und dies ein Menschenrecht zu nennen! Abtreibung hat viele, hat nur böse Folgen, aber eine ist die „Tötung der Freude“ und die „Tötung der Seele der Frau“. Noch frauenfeindlicher und kinderfeindlicher  geht es nicht!  
Die Kirche hingegen ist „frohe Botschaft“, sie ist diejenige Gemeinschaft, die in allen Lebenslagen und für alle Menschen eine Botschaft überbringt, die Freude macht. Und dies aus mehreren Gründen:
Erstens antwortet die Kirche auf die Frage, wozu wir überhaupt leben, indem sie dir sagt: Gott wusste um dich und wollte dich schon lange vor deiner Geburt. Dein Lebensweg ist nicht ein zielloses Wandern und Taumeln, bis es elend endet, sondern dein Leben ist ein Weg zu einem Gott, der dich liebt, sich auf dich freut und alles für dich tut, damit du bei Ihm ankommst!
Zweitens antwortet die Kirche sogar in einer Situation  des Leidens, indem sie sagt: Hab keine Angst, jedes Leiden hat ein Ende und jedes Leiden hat einen Sinn, auch dann, wenn du ihn nicht weißt. Vor allem aber: Auch dein Leiden endet im Glück, du musst es nur wollen! Redet die Kirche dabei unnützes Zeug? Nein, wenn du vergleichst: Wie schrecklich ist sinnloses Leiden im Vergleich zu Leiden mit einem Sinn und einer Ausrichtung auf das Gute und das Glück hin. Der Gekreuzigte auf der einen Seite von Jesus hat in diesem Sinn viel weniger gelitten als der auf der anderen – jedenfalls ab dem Moment, in dem Jesus ihm antwortete: „Heute noch wirst du bei mir im Paradies sein!“ (Lk 23,33). Körperlich hat er nicht weniger gelitten als vorher, aber sein Gewissen quälte ihn nicht mehr, und er war glücklich, weil er das Paradies vor sich sah!
Drittens hält die Kirche eine Antwort für dich bereit, wenn du schuldig geworden bist und dein Gewissen nicht aufhört, dich zu quälen. Die Kirche sagt dir: Du bereust? Darüber freut sich Gott und steht schon bereit, dich in Seine Arme zu nehmen! Aber was ist mit meinen Schweinereien, die ich begangen habe? Da lesen wir bei Jesaja (38,17): „Du hast mich aus meiner bitteren Not gerettet, du hast mich vor dem tödlichen Abgrund bewahrt; denn all meine Sünden warfst du hinter deinen Rücken.“
Gott handelt an uns nicht nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Schuld. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch ist seine Huld über denen, die ihn fürchten. So weit der Aufgang entfernt ist vom Untergang, so weit entfernt er die Schuld von uns.  
Viertens lädt Gott ein, Seine Schöpfung zu genießen, wo immer es uns  möglich ist, wenn wir  dabei weder uns selbst noch andere verletzen und die Erde nicht verwüsten! Wer das nicht glaubt, lese in der Hl. Schrift und spüre den Geschmack der Freude und Lust an der Schöpfung Gottes in vielen Psalmen: „Jauchzt vor dem Herrn, alle Länder der Erde, freut euch, jubelt und singt!  (…) In die Hände klatschen sollen die Ströme, die Berge sollen jubeln im Chor vor dem Herrn, wenn er kommt, um die Erde zu richten…“ (Ps 98,4ff)  
Oder: „Ost und West erfüllst du mit Jubel. Du sorgst für das Land und tränkst es; du überschüttest es mit Reichtum. Der Bach Gottes ist reichlich gefüllt, du schaffst ihnen Korn; so ordnest du alles. Du tränkst die Furchen, ebnest die Schollen, machst sie weich durch Regen, segnest ihre Gewächse. Du krönst das Jahr mit deiner Güte, deinen Spuren folgt Überfluss….“ (Ps 65,9ff)  Nach Verachtung an den Gütern der Welt klingt das wirklich nicht!
Fünftens: Gott spielt mit den Menschen nicht Verstecken, Er hat sich gezeigt, trotz des noch bestehenden „Dunkels des Glaubens“: Die Erfahrung zeigt: Menschen, die den Bund mit Gott leben, haben Frieden im Herzen und freuen sich schon jetzt auf die Ewigkeit! Schau sie dir an, dann „siehst“ du mit eigenen Augen, wie Gott ist, ungefähr wenigstens. Wen soll ich anschauen?
Die Heiligen, du wirst mehr als einen oder eine finden, der zu dir passt, sodass du plötzlich denkst: Ja, so ähnlich kann ich mir Gott wirklich vorstellen. Erst recht, wenn ich Jesus mit den Augen meines Herzens anschaue oder über seine Gottes-Gleichnisse nachdenke, dann wirst du das Aha-Erlebnis haben! Und wenn du wissen willst, wie Er dich liebt? Erinnere dich an Verliebte, am besten ein auch nach 50 Jahren noch verliebtes Ehepaar, dann weißt du es!
Übrigens, einen akademischen oder anderen Titel brauchst du dazu nicht, du musst für die Entdeckung dieses Glücks nicht einmal Lesen und Schreiben können, auch wenn das für das Leben nützliche Dinge sind – aber nicht nötig für die beglückende Entdeckung Gottes in deinem Leben!

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