VISION 20004/2015
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Botschaft an uns

Artikel drucken Die heilige Jeanne d’Arc (Von Dom Antoine-Marie OSB)

Wer behauptet, Gott greife nie in die Geschichte ein, wird durch das Leben der heiligen Jeanne d’Arc eines Besseren belehrt. Die historischen Ereignisse in Jeannes Leben sind durch zahlreiche Augenzeugenberichte belegt und unbestritten. Dank der erhaltenen Prozessakten zu ihrer Verurteilung und Rehabilitation sind wir heute in der Lage, ihre Heldentaten zu rekonstruieren und ihren Freimut gegenüber den Mächtigsten der Erde zu würdigen.
Jehanne (wie man damals schrieb) wurde 1412 als Tochter von Jacques d’Arc und Isabelle Romée in eine einfache Bauernfamilie geboren, die in Domrémy in Lothringen wohnte. Jeanne verbrachte eine friedliche Kindheit im Kreise ihrer vier Geschwister. Als sie größer wurde, zog sie sich samstags gern in eine nahegelegene Einsiedelei zu­rück, um zur Hl Jungfrau zu beten. Ein Herzensanliegen war ihr auch die Verehrung des Namens Jesu.
Im Königreich wütete seit 1337 der Hundertjährige Krieg. Die englischen Plantagenets, die über die weibliche Linie von Philipp dem Schönen abstammten, beanspruchten die französische Krone für sich und wollten sie mit Waffengewalt erobern.
Jeanne war 13 Jahre alt, als sie im Garten  eine Stimme vernahm, die sich ihr als die Stimme des hl. Michael zu erkennen gab; der Himmelsbote kündigte ihr Besuche der hl. Katharina und der hl. Margarethe an, die ihr helfen würden, „sich zu beherrschen“. Jeanne legte daraufhin ein Keuschheitsgelübde ab und nannte sich fortan „die Jungfrau“:  „Mit dem Versprechen der Jungfräulichkeit weihte Jeanne ihre ganze Person ausschließlich der einzigen Liebe zu Jesus…“ (Benedikt XVI., Generalaudienz, 26. 1.11).
Der Engel richtete Jeanne den Auftrag Gottes aus, sie möge dem Dauphin, dem noch ungekrönten König, zu Hilfe eilen, um die Not Frankreichs zu lindern. Sie wuss­te nicht, wie man mit Waffen umgeht, und weinte bei der Vorstellung, ihre Familie zu verlassen. Der Engel beruhigte sie: „Geh, Tochter Gottes! Der König des Himmels wird dir beistehen. Er wird besorgen, was dir fehlt.“
Im Mai 1428 nutzte Jeanne einen Aufenthalt bei ihrem Vetter Durand Laxart, den sie ins Vertrauen gezogen hatte, und ließ sich von ihm zur königlichen Burgvogtei Vaucouleurs begleiten; dort bat sie den Hauptmann Robert de Baudricourt, dem Dauphin zu bestellen, dass er erst nach Mittfasten, d.h. nach dem 3. März 1429, den Kampf aufnehmen solle, dann werde er Hilfe erhalten. Doch sie wurde grob abgewiesen.
Im Oktober begannen die Engländer mit der Belagerung von Orléans, einer strategisch wichtigen Stadt, die Gebiete schützte, die dem Dauphin treu ergeben waren. Jeanne wuss­te, dass sie nach Orléans reisen musste, um die Stadt zu befreien. Kurz nach ihrem 17. Geburtstag verließ sie Domrémy und suchte Baudricourt erneut auf. Sie holte sich erneut eine Abfuhr; ein Stallmeister, Jean de Metz, war jedoch auf sie aufmerksam geworden und erkundigte sich nach ihren Absichten. „Ich muss unbedingt vor Mittfasten zum Dauphin,“ erwiderte sie, „selbst wenn ich mir die Füße bis zu den Knien wundlaufe ..., obwohl ich viel lieber bei meiner armen Mutter geblieben wäre ..., aber ich muss das tun, weil mein Herr das will.“ Daraufhin bot der Stallmeister an, sie zu Karl zu führen. Der Hauptmann bewilligte der als Mann verkleideten Jeanne eine Eskorte von sechs Männern.
Der Weg von Vaucouleurs nach Chinon führte fast 600 km durch Feindesland. Jeanne beeindruckte die Männer durch ihre Unermüdlichkeit und schlichte Reinheit. Die Gruppe zog am 23. Februar in Chinon ein. Im Empfangssaal steuerte Jeanne  direkt auf den Dauphin zu und sagte: „Edler Dauphin, ich heiße Jeanne, die Jungfrau, und der König des Himmels lässt Euch durch mich wissen, dass Ihr in der Stadt Reims zu seinem Statthalter, zum König von Frankreich, geweiht und gekrönt werdet.“  
Die Jungfrau blieb drei Wochen in Chinon. In dieser Zeit machte Karl sie mit dem Herzog Jean d’Alençon bekannt; dieser bezeugte später, Jeanne habe einmal nach der Messe den Dauphin ersucht, sein Königreich dem König des Himmels anzuvertrauen; dies sei die Bedingung dafür, dass er selbst wieder in seine Rechte eingesetzt werde. Weiters diktierte sie einen Brief an die Engländer und forderte sie im Namen Jesu zu einem Friedensschluss auf. Sie erhielt nie eine Antwort.
Der Dauphin ließ die Jungfrau durch ein Kollegium von Theologen befragen. Man forderte von ihr ein Zeichen ihrer Mission; sie erwiderte, man solle sie nach Orléans führen, dann werde man die Zeichen schon sehen, um derentwillen sie gesandt worden sei. Insgesamt sagte sie vier Ereignisse voraus: die Aufhebung der Belagerung, die Krönung in Reims, die Befreiung von Paris und die des Herzogs von Orléans aus englischer Gefangenschaft.
Die Richter kamen zu dem Schluss, dass Jeanne eine gute Christin sei. Man könne ihr vertrauen. Der Dauphin beauftragte sie daraufhin, Orléans unter dem Befehl des Herzogs von Alençon mit Nachschub zu versorgen. In Tours ließ sich Jeanne eine mit Lilien verzierte Standarte anfertigen und darauf „das Bild unseres Herrn, der die Welt in Händen hält, malen: die Ikone ihrer politischen Sendung. Die Befreiung ihres Volkes ist ein Werk menschlicher Gerechtigkeit, das Jeanne in der Liebe, aus Liebe zu Jesus durchführt. Sie ist ein schönes Vorbild der Heiligkeit für die Laien, die im politischen Leben tätig sind, vor allem in schwierigen Situationen“ (Benedikt XVI.).
Am 25. April stieß Jeanne in Blois zum Heer. Als Erstes sorgte sie dafür, dass alle Frauen von liederlichem Lebenswandel davongejagt wurden; dann redete sie den Männern zu, zur Beichte zu gehen. Sie duldete keine got­teslästerlichen Sprüche. Durch ihre Güte, ihren Mut sowie durch die Reinheit ihres Lebens erfüllte Jeanne bei den Soldaten eine echte Evangelisierungsmission.
Am 28. April kam sie in Sichtweite der am rechten Loireufer gelegenen Stadt Orléans. Als sich ihr der Oberbefehlshaber der Festung vorstellte, begrüßte sie ihn: „Ich bringe Euch den Beistand des Himmelskönigs, der sich der Stadt Orléans erbarmt hat.“ Die Jungfrau wurde in der Stadt wie eine Befreierin begrüßt. In den Tagen danach machte sie eine Reihe von Ausfällen gegen die Engländer – alle Volltreffer; am 8. Mai zogen die englischen Truppen endgültig ab.
Trotz einer Reihe von ruhmreichen Schlachten zögerte der Dauphin den Aufbruch zur Krönung in Reims hinaus. Am 29. Juni brach Karl endlich zu dem 200 km langen Ritt durch feindliches Gebiet auf. Eine Stadt nach der anderen ergab sich widerstandslos. Am 16. Juli zog die englische Besatzung aus Reims ab, so konnte die Krönung bereits am nächsten Tag stattfinden. Der Erzbischof von Reims salbte den Dauphin in der herrlichen Kathedrale, setzte ihm die Krone aufs Haupt und weihte ihn zum König.
Jeanne beschloss nun, in Richtung Hauptstadt zu ziehen. Am 8. September kam es zum Angriff auf Paris: Jeanne wurde am Bein verletzt und konnte die Angreifer nur mündlich anfeuern. Am nächsten Morgen pfiff der König seine Truppenführer aber zurück: Die königliche Armee trat den Rückzug an… Auch überredete der königliche Rat, eifersüchtig auf die Erfolge der Jungfrau, den König, den Herzog von Alençon und Jeanne voneinander zu trennen: Sie stellten ein allzu kriegslustiges Gespann dar und erschwerten einen Friedensschluss auf diplomatischem Wege.
Am 22. April 1430 vernahm Jeanne eine Botschaft ihrer „Stimmen“, die ankündigten, sie werde innerhalb von 2 Monaten gefangengenommen ; sie solle sich keine Sorgen machen und „alles klaglos hinnehmen“, denn Gott werde ihr beistehen. So eilte sie zunächst der von den Burgundern belagerten Stadt Compiègne zu Hilfe und marschierte dort mit 400 Bewaffneten ein. Am 23. Mai wandte sie sich nach der Messe an die versammelte Menge: „Meine lieben Freunde, man hat mich verraten und verkauft, ich werde bald getötet. Betet für mich, denn ich werde weder dem König noch Frankreich lange dienen können.“
Noch am selben Tag wagte sie einen Ausfall, doch er missriet; beim Rückzug wurde sie vor den bereits geschlossenen Stadttoren gefangengenommen. Sie wurde von einem Kerker zum anderen geschleppt und versuchte immer wieder zu fliehen, doch sämtliche Fluchtversuche scheiterten. Am 19. November wurde sie schließlich den Engländern ausgeliefert, die sie nach Rouen brachten.
Der Bischof von Beauvais, Pierre Cauchon, plante, Jeanne in einem Prozess der Häresie und Hexerei zu überführen. Als sie zu Weihnachten um die Sakramente bat, wurden sie ihr verweigert. Obwohl sie nach kirchlichem Recht in einem von Frauen bewachten Frauengefängnis hätte einsitzen müssen, hielt man sie in einem Turm gefangen, wo sie von fünf englischen Soldaten mal­trätiert und nachts angekettet wurde. Am 21. Februar musste die gerade einmal 19 Jahre alte Jeanne zum ersten Mal vor Cauchon und einem 40-köpfigen Beisitzerkollegium erscheinen.
Bis zum 3. März fanden sechs öffentliche Sitzungen statt, bei denen Jeanne mindestens drei Stunden lang einem intensiven Verhör unterzogen wurde. Sie bat um einen Verteidiger, um die Möglichkeit, der Messe beizuwohnen. Cauchon lehnte alles ab, setzte ihr mit seinen Fragen hart zu. Jeanne erklärte, sie habe gelobt, nichts über den König zu offenbaren: „Ihr wollt bestimmt nicht, dass ich meineidig werde… Ihr behauptet, mein Richter zu sein. Bedenkt allen Ernstes, was Ihr macht; denn in Wahrheit bin ich von Gott gesandt. Ihr begebt Euch in große Gefahr.“ Das Gericht brauchte fünf Tage, um Jeannes Antworten auszuwerten und ein weiteres Verhör vorzubereiten, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden sollte.
Die Fragen betrafen Jeannes sittlichen Lebenswandel, die „Stimmen“, die sie gehört hatte, ihren Gehorsam der Kirche gegenüber, das Zeichen, das dem König gegeben worden war, sowie ihre Männerkleider. In ihrer Not wandte sie sich an den Herrn: „Gütiger Gott, zu Ehren Eures heiligen Leidens bitte ich Euch, wenn Ihr mich liebt, mir zu offenbaren, was ich diesen Kirchenmännern antworten soll.“
Ihre Antworten fielen dann tatsächlich überaus weise aus: „Warum hat Gott dich und keine andere erwählt, um Orléans zu befreien?“ – „Gott gefiel es, dieses Werk durch ein demütiges, armes Mädchen zu vollbringen.“ – „Welche Belohnung erbittest du dir von deinen Stimmen?“ – „Eine einzige: mein Seelenheil.“ – „Hältst du es für nötig zu beichten, wenn du doch den Stimmen glaubst, die behaupten, du wirst gerettet?“ – „Ich bin mir keiner Todsünde bewusst... Dennoch möchte ich gerne beichten, denn ich denke, man kann sein Gewissen nicht genug reinigen.“ – „Bist du im Stande der Gnade?“ – „Wenn ich es nicht bin, möge mich Gott dahin bringen, bin ich es, möge Gott mich darin erhalten! Ich wäre jedoch die unglücklichste Frau der Welt, wenn ich mich im Stande der Todsünde wüsste.“ – „Hast du deine Siegeshoffnung auf dich oder auf deine Standarte gegründet?“ – „Weder auf mich noch die Standarte; mein ganzes Vertrauen ruhte auf unserem Herrn Jesus Christus.“
Nach einem Scheinprozess wurde sie zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Die Hinrichtung fand am 30. Mai 1431 statt: Jeanne empfing die Sakramente und bat darum, dass ihr während ihres Todeskampfes das Kruzifix vor die Augen gehalten werde. So starb sie, die Augen auf den gekreuzigten Jesus gerichtet, und rief mehrmals laut seinen heiligen Namen. Die Henker warfen das Herz der Heiligen, das man später unversehrt in der Asche fand, in die Seine.
Nach Jeannes Tod erfüllten sich ihre Vorhersagen: Der Herzog von Orléans kehrte nach Frankreich zurück. Paris wurde 1436 befreit, und der Hundertjährige Krieg ging 1453 mit der Eroberung von Bordeaux zu Ende. Jeannes Unschuld und Kirchentreue wurden 1456 durch einen langen Rehabilitationsprozess erwiesen. Die Jungfrau von Orléans wurde 1909 vom heiligen Pius X. selig- und am 16. Mai 1920 von Benedikt XV. heiliggesprochen. Am 2. März 1922 wurde sie (nach Unserer Lieben Frau) zur zweiten Schutzpatronin Frankreichs erhoben.
„Liebe Brüder und Schwestern, der Name Jesu, der von unserer Heiligen bis zum letzten Augenblick ihres irdischen Lebens angerufen wurde, war gleichsam der unablässige Atem ihrer Seele. (…) Jesus steht immer an erster Stelle in ihrem Leben (…) Ihn zu lieben bedeutet, stets seinem Willen zu gehorchen“ (Benedikt XVI.).
Möge unsere heilige Schutzpatronin diese brennende Liebe zu Jesus für uns erwirken, denn sie allein kann unsere Gesellschaft erneuern!

Der Autor ist Abt voni Saint-Joseph-de-Clarival, sein Beitrag ist in voller Länge nachzulesen auf: www.clairval.com

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