VISION 20004/2015
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Ein großer Mann

Artikel drucken Sepp Messner: Freund, Missionar, Jünger Christi (Christof Gaspari)

Mitte Mai haben wir ihn zu Grabe getragen, inmitten der herrlichen Bergwelt des Mölltals an einem Tag, an dem nach Schlechtwetter endlich wieder die Sonne schien. Sein Tod hat mich sehr betroffen gemacht. Er war ja einer meiner besten Freunde. Immer wieder kehrten meine Gedanken zu ihm zurück und mir wurde klar: Ein großer Mann hatte uns verlassen. Sicher, er bekam kein Staatsbegräbnis, und in den Medien gab es keine Schlagzeilen über sein Ableben. Und dennoch bleibe ich dabei: Er gehörte zu den Menschen, die wie Säulen unsere Gesellschaft tragen.
Was aber war nun an ihm so erwähnenswert? Zunächst seine Eigenschaft, ein guter Freund zu sein, jemand, der sich für andere einsetzt, ver­läss­lich, treu. Mehr als 40 Jahren lang trafen wir uns – wann immer möglich – wöchentlich zu dritt mit Helmut (siehe Kasten): eine Art Lebensbegleitung, ein Austausch mit Tiefgang, aber auch mit Hetz, wie wir in Wien sagen, und sehr oft bei einem Gläschen Wein – oder mehreren.
Wir haben über jene Fragen gesprochen, die uns bewegten: über Politik und die gesellschaftliche Entwicklung, über unser Glaubensleben, den Beruf und die Familie. Immer wieder war ich erstaunt, wie sehr Sepp, der unverheiratet war, an seiner Familie hing, sich für sie einsetzte, sich für den Zusammenhalt seiner Geschwister verantwortlich fühlte und die Entwicklung von Nichten und Neffen verfolgte und auch begleitete. Da wurde deutlich, welche Verarmung es ist, wenn heute für die meisten praktisch bestenfalls die Kernfamilie zählt.
Obwohl Sepp nach seinem Studium in einem größeren Unternehmen erfolgreich eine Abteilung für Büromaschinen-Verkauf aufgebaut hatte, entschloss er sich, den Job zu wechseln. Er wurde Stahlrohr-Verkäufer auf Teilzeitbasis und verzichtete somit auf Karriere zu . Warum? Um Zeit freizuschaufeln für das, was ihm wirklich am Herzen lag: seine missionarischen Anliegen.
Jahre später, als ich vor der Frage nach einer beruflichen Neuorientierung stand, hat mich Sepps Beispiel ermutigt, einen ähnlichen Weg, den einer Teilzeitbeschäftigung, zu gehen und die Karriere hintanzustellen.
Damit bin ich bei einem zweiten wichtigen Aspekt von Sepp Messners Leben: Er war ein Missionar, nicht geweiht oder kirchlich beauftragt, sondern aus tiefer Freundschaft zu Jesus Christus. Menschen für Ihn zu gewinnen, war ihm ein Anliegen, seitdem ich ihn kannte. Er hat das verwirklicht, was sich das 2. Vatikanum von Laien erhofft hatte:  Zeugnis für Christus in der Welt zu geben.
Da war zunächst die Gründung der Gruppe C! Es war ihm klar geworden, dass Verkündigung neue Wege beschreiten und sich besonders an die Jugend wenden müsse. Daher organisierte er Besuche junger Menschen in Altersheimen. Diese Konfrontation von Jung und Alt warf bei der Jugend Fragen über den Sinn des Lebens auf, ließ sie erfahren, dass man mit wenig Aufwand viel Freude bereiten kann, dass ein Gespräch zwischen Generationen fruchtbar ist. Diese Eindrücke wurden nach den Besuchen im gemütlichen Beisammensein mit den Jugendlichen aufgearbeitet. Existenzielle Fragen, die auftauchten, ließen sich dabei aus dem Glauben beantworten.
Auf diese Weise gelang es Sepp, den Glauben nicht etwa dozierend zu verkünden, sondern als sinnvolle Antwort auf wesentliche Fragen zu vermitteln. Mit vielen dieser damals jungen Leute ist er sein Leben lang in Kontakt geblieben. Mit einigen traf er sich bis in jüngste Vergangenheit zu „Bibelpartys“, einem Austausch über Schriftstellen, die die Teilnehmer bewegten. (siehe Bild)
Die Gruppe C! war  keineswegs sein einziges Projekt. Da gab es die Reaktivierung der Severin-Bruderschaft in Wien, die Verbreitung der Botschaft dieses Heiligen: „Faste, bete, sei barmherzig“, die Förderung der Verehrung der hl. Hemma von Gurk durch die Publikation eines Buches. Außerdem hat Sepp jahrelang als Mitarbeiter bei Cursillos gewirkt, ja diesen Kurs zur Glaubenserneuerung sogar auf eigene Faust in Kärnten und Steiermark ins Leben gerufen.  Wie oft habe ich, wenn wir gemeinsam solche Kurse mitgestalteten, erlebt, wie seine fröhliche, direkte Art, Menschen zu begegnen, diesen half, einen entscheidenden Schritt im Glauben zu machen!
Viele Jahre hat er seine Energie in die Revitalisierung der Kirche am Danielsberg in seiner Kärntner Heimat investiert. Er fühlte sich quasi als Messner dieses Kirchleins, das über dem Mölltal thront (Siehe Kasten links).
An dieser Stelle ist mir wichtig, einen dritten Punkt zu betonen: Sepp war nicht nur ein Aktivist – das schon auch –, kein Propagandist der „Sache Jesu“. Er war ein Jünger Christi, bemüht, das, was er predigte, selbst zu tun. So entschloss er sich, bereits von der Parkinson-Erkrankung heimgesucht, seine Mutter zu pflegen. Er hat die Sorge um den alten Menschen als persönliche Herausforderung angenommen. Und zwar unter schwierigen Bedingungen, auf die hier einzugehen nicht der Ort ist. Diesen Dienst hielt er durch, bis er ihn wegen fortschreitender eigener Krankheit wirklich nicht mehr leisten konnte.
In den letzten Jahren unserer Treffen – nunmehr beim Hannes, einem Beisel nahe seiner Wohnung – wurde immer deutlicher, dass Sepp uns schon viel  voraus hatte. Es war die Art, wie er seine Krankheit annahm, die uns Bewunderung abverlangte. Mehr als 15 Jahre hindurch musste er, der so Aktive, fortgesetzt Abschied von irgendwelchen Fähigkeiten nehmen. Er hat gelernt, mit der Abhängigkeit von anderen zu leben – in immer mehr Dimensionen seines Lebens.
Ganz selten hörten wir ihn klagen, gejammert hat er nie. Bis zuletzt freute er sich über Besuche, über unser Kommen, unsere Gespräche, denen er mehr und mehr als Zuhörer folgte. Er hat gelernt Hilfe anzunehmen, was gar nicht so einfach, aber Zeichen der Freundschaft war.
Vielleicht sollte ich sagen, dass er uns durch seine Gottergebenheit am meisten beeindruckt hat.  Er hatte eben gelernt, sein Leben aus Gottes Hand anzunehmen. Und so war er vorbereitet heimzugehen zu dem, dem er sein Leben lang gefolgt war.
Ein großer Mann, wie gesagt.


40 Jahre Freunde
Bei Cursillo-Messen in Wien lernte ich ihn um 1970 kennen. Mein Gott, war dieser Kärntner ein g’schaftiger Bursche! Er wusste immer, wo’s lang geht. Und er wusste es immer besser. Wie hab’ ich mich fremdgeschämt, als er einmal aus der letzten Reihe der alten schlauchartigen Kapelle in der Bennogasse die Fürbitte „Herr, schenke uns kürzere Predigten“ nach vorne schmetterte. Und doch haben mir sein Durchsetzungsvermögen, seine Courage imponiert!
Schließlich haben wir mit Christof im Cursillo-Mitarbeiterteam zueinander gefunden. Ab 1975 trafen wir uns zu dritt einmal im Monat im „Regina“ bei der Votivkirche. Die monatlichen wurden zu wöchentlichen Treffen in der WÖK (eine Art wienerische Fast-Food-Kette, 1978 geschlossen) nach dem Konventamt der Schotten, später beim Herrn Alfred im Dombeisl nach der Kapitelmesse in St. Stephan.
Unser Treffen war ein „Gruppentreffen“, wie es uns der Cursillo gelehrt hatte, „ein Geschenk, umsonst, eine Gnade, das freundschaftliche Zeugnis des Dialogs unter Freunden“ (Papst Franziskus zum Cursillo-Jubiläum 2015). 61 Eintragungen im Tourenbuch dokumentieren unsere Ausflüge zwischen Wienerwald und Danielsberg, die im Laufe der 40 geschenkten Jahre unsere Freundschaft in Christus weiter vertieft haben.
Selbstbewusst und doch de­mü­tig  hat Sepp – der gelernte Diplomkaufmann – mit seinen Talenten gewuchert: Cursillo, Gruppe C!,  Danielsberg, Pflege seiner Mutter und zuletzt selbst 15 Jahre Parkinson. Ich habe ergriffen erlebt, wie mein „präpotenter Sepp“ zum im wahrsten Sinn des Wortes „Gott ergebenen“ Menschen reifte. Als ich ihm zuletzt beim gemeinsamen Herumkramen einmal ungeduldig vorhielt, dass ich ihm doch „schon dreimal das und das erklärt habe“, schaut er mir spitzbübisch in die Augen und sagt schmunzelnd: „…dann sag’ mir’s halt noch ein viertes Mal.“
Helmut Hubeny


„In vielem ein großes Vorbild“
Im Folgenden ein Auszug aus dem Brief eines damals 23-Jährigen (heute ist er Richter), der sich in der Gruppe C!, vor allem auch bei den Besuchen in Altersheimen, engagiert hatte:

Lieber Sepp,         

Das vergangene Jahr war für die Gruppe C! ein sehr erfolgreiches Jahr. Wir haben Anerkennung und Echo auf höchster Ebene. Bei allen diesen Erfolgen kam mir vor, dass wir alle ein wenig vergessen haben, dass eigentlich Du nach wie vor der treibende Motor unserer Gruppe bist. Das soll jetzt keine billige Lobhudelei sein, und sicher tragen viele das Ihre zum Erfolg der Gruppe C! bei; letztlich aber stehst Du als starkes und großes Herz hinter allen Aktivitäten. Dafür möchte ich Dir ganz einfach danken.
Mit Einwänden und Kritik sind wir oft so schnell bei der Hand – sie haben ihre Berechtigung, aber nur dann, wenn sie Deinen Einsatz und Deine Aufopferung genauso würdigen. Darum also ganz schlicht, aber sehr von Herzen kommend: danke schön.
Ich bin stolz, an Deiner Seite meinen kleinen Beitrag leisten zu können; Du bist in vielem mein großes Vorbild, und ich freue mich über unsere Freundschaft.
Du lebst mir überzeugend vor, was es heißt, sich als Werkzeug Gottes zu verstehen. Die Begegnung mit Dir hat meine Entwicklung entscheidend beeinflusst. In meiner persönlichen Geschichte spielst Du und die Gruppe C! eine Hauptrolle.  
Dein Manfred


„Die Leute haben nur so gestaunt“

Nähergekommen sind wir uns während des Projekts am Danielsberg. Sepp hatte sich da ein großes Ziel, die Renovierung und Wiederbelebung des Kirchleins am Danielsberg vorgenommen. Vorher war die Kirche eher verfallen. Aber wenn er sich etwas vorgenommen hatte, hat er das auch durchgezogen. Die Renovierung hat dann etwa von 1986 bis 1992 gedauert.
Insgesamt hat er 1,8 Millionen Schilling aufgebracht – keine Kleinigkeit. Zunächst skeptisch haben die Leute dann nur so gestaunt: Er hat Sponsoren aufgetrieben, Banken eingespannt, Gemeindegelder losgeeist, das Denkmalamt unter Druck gesetzt, Experten mobilisiert, örtliche Vereine eingebunden.  
Entscheidungen hat er allerdings immer autonom getroffen. Das war sein Erfolgsrezept.
Zum Abschluss hat er ein großes Fest veranstaltet. Das ganze Dekanat Mölltal sollte zusammenkommen. Aus jeder Pfarre war zumindest eine kleine Gruppe da. Einfach gewaltig!
Es gelang ihm, den Bischof und den Landeshauptmann für die Feier zu gewinnen. Nur hat es dann leider den ganzen Tag geschüttet. Wir haben später oft darüber gelächelt, was sich der Herrgott, der bei dem Projekt ja eigentlich Regie geführt hatte, wohl gedacht haben mag.   
Sepp war der Ansicht, diese Kirche brauche eine Botschaft. Die hl. Sr. Faustyna mit ihrer Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes hat ihn begeistert. So hat er in Polen ein großes Bild vom Barmherzigen Jesus malen lassen, das jetzt in der Kirche hängt. Seit damals gibt es an jedem 2. des Monats eine Andacht zum Barmherzigen Jesus. Wir werden versuchen, diese Tradition auch jetzt weiter zu erhalten.
Hans Tuppinger


„Lei loss’n!“

Stärke deinen Glauben!“ sagt er mir einfach so leichtfüßig dahin. Dabei hatte ich mir erhofft, wir könnten uns gemeinsam über all das Unglückliche in Welt und Kirche beschweren und so Erleichterung finden. Nein, einmal mehr brachte mich Sepp in die Spur Jesu, auf den Weg, der mit Liebe gepflastert sein will. Einmal mehr wurde mir klar, wo es lang geht. Sepp brauchte dazu nie besonders viele Worte, viel mehr war da diese Qualität vom Weg nach Emmaus: „Brannte uns nicht das Herz…“
„Fahr auf Cursillo!“ sagt er mir nach wenigen Begegnungen schon. Dabei kannten wir uns doch kaum, und „der Cursillo“ war mir auch fremd. Trotzdem war mir klar – das mach ich. Es war immer so etwas dabei, wie ich mir auch die Art des Sprechens Jesu vorstelle. Eine Klarheit in den Worten, die Bedingtheit und gleichzeitig Freiheit darin. Ein gespannter Bogen, eine scheinbare Ambivalenz, die aber keinen Druck erzeugt.
„Lei loss’n,“ sagt er nicht nur einmal. Und nicht nur weil er Kärntner war. Sepp lebte dieses Vertrauen tatsächlich. Sein Lieblingsbild vom „Barmherzigen Jesus“ fällt mir dazu ein:  „Jesus, ich vertraue auf dich.“
Sepps Gespräche haben meine spirituelle Entwicklung entscheidend geprägt. Ihm verdanke ich die glaubhafte Verheißung eines Lebens in Fülle. Denn Sepps Worte verlangten immer auch nach mehr – nach dem Tun des Erkannten. So war ich z.B. eine der letzten Aktiven in seiner Gruppe C! oder lange Zeit leidenschaftliche Mitarbeiterin im Cursillo.
Zuletzt fragte ich Sepp, wie er denn die Nächte seiner schweren Krankheit übersteht. „Da rede ich mit Jesus,“ sagte er mir mit dem gütigsten Ausdruck im Gesicht. Ich kann nur vermuten, Jesu Worte waren tragende, klare, kräftigende, freundliche, seiner Seele nahe. Für mich Antwort darauf, woher mein lieber Sepp sein eigenes Reden und Vertrauen her hatte.
Hanni Wachmann

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