VISION 20004/2015
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Kann ein barmherziger Gott auf ewig verdammen?

Artikel drucken Gedanken über die Existenz der Hölle (Alain Bandelier)

Kann man heute noch an die Existenz der Hölle glauben? Widerspricht sie nicht der Offenbarung, dass Gott barmherzig ist? Kann der Mensch überhaupt etwas tun, was eine ewige Strafe nach sich ziehen könnte? In einem Zeitalter, in dem viele Theologen „Abschied vom Teufel“ genommen haben, sind das brennende Fragen geworden. Im Folgenden eine Antwort.

Diese Fragen berühren einen heiklen Punkt sowohl unseres Glaubens wie auch der modernen Mentalität. Daher möchte ich an dieser Stelle klarstellen, was die Kirche lehrt und nicht meine Sichtweise oder sogar jene von ernstzunehmenden Theologen.
Der Katechismus der Katholischen Kirche bietet dazu eine kurze Synthese der uns überlieferten Lehre,  von der man sich nicht ohne Dünkel entfernen kann, auch wenn es erlaubt sein kann, sie  neu zu formulieren…
Im Zentrum der Argumentation jener Christen, die es untragbar finden, heute noch von der Existenz der Hölle zu reden, steht folgende Überzeugung: Es sei undenkbar, dass Gott irgendetwas nicht vergeben könne. Mit dieser Sichtweise stimme ich überein: Ja, Gott vergibt immer.
Aber das Verhängnis besteht gerade darin, dass die Hölle nicht die erbarmungslose Strafe eines unbarmherzigen Gottes ist. Gott „sperrt“ nämlich niemanden in die Hölle ein. Der Verdammte selbst ist es, der sich in ihr durch einen Akt der Selbstzerstörung einschließt.  
Man könnte sagen, dass selbst Satan von der Zärtlichkeit Got­tes umhüllt bleibt. Das Buch der Weisheit bezeugt dies:
„Du hast mit allen Erbarmen, weil du alles vermagst, und siehst über die Sünden der Menschen hinweg, damit sie sich bekehren. Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen. (11,23ff) Genau diese Liebe ist es ja, die Satan ablehnt. Er entzieht sich ihr aus freien Stücken und im vollen Bewusstsein.
Nähme er die Vergebung an, so würde ihm verziehen. Aber er hat keinen Anlass, seine Revolte zu beenden. Er ist sich im Klaren, gegen wen und wogegen er kämpft. Im Kreuz und in der Auferstehung Christi wurde ihm die äußerste Liebe Gottes vor Augen geführt. Keine Neuauflage wird seine Entscheidung ändern.
Jesus hat es gesagt: Es gibt eine Sünde, die unverzeihlich ist, die Sünde gegen den Heiligen Geist, zweifellos die Ablehnung der Barmherzigkeit und des Heils. Das kann einfach nicht vergeben werden, es ist eine ewig währende Sünde.
Gott vergibt immer, das bezeugt die Heilige Schrift, vor allem das Evangelium. Die Verdammung allerdings ist eben genau die Ablehnung der Vergebung. Sie ist unverzeihlich, nicht weil Gott ein grausames Urteil fällt, sondern wegen der schrecklichen Ohnmacht der Liebe, die es sich versagt, jemanden zur Liebe zu zwingen.
Es stimmt: Unsere menschliche Freiheit ist beschränkt, ebenso wie unser Gewissen, das sogar manchmal blind ist. Solange wir daher hier auf Erden und in unserer jetzigen Verfassung sind, können wir wieder neu beginnen. Der ärgste Sünder kann ein Heiliger werden. Dazu ist es nie zu spät, dafür gibt es Beispiele – übrigens auch für das Gegenteil, nämlich schreckliche Abstürze. Daher findet das Gericht ja erst nach dem Tode statt.
Zweifellos bereite ich meine ewige Bestimmung mein Leben lang vor. Festgelegt wird sie allerdings, wenn ich vor dem Angesicht Christi stehe. Dann sehe ich die Wahrheit Gottes in ungetrübtem Licht und die Wahrheit der Entscheidungen, die mein Leben bestimmt haben. Meine Freiheit ist dann grenzenlos, ohne die Einflüsse und Hindernisse, denen ich hier begegne.
Diese Entscheidung ist dann ohne Rekurs. Selig, wer wie der gute Schächer dann sein Unrecht zugibt und sich der Barmherzigkeit selbst anvertraut. Es wird genügen, sich der Liebe auszuliefern. Aber ist das so einfach?
Auszug aus Famille Chrétienne v. 25.1.96

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