VISION 20004/2015
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Die Kinder stark machen, damit sie später standhalten

Artikel drucken Erfahrungen mit einer konsequent katholischen Schulbildung (Johannes und Marietta Reinprecht)

Das immer glaubensfeindlichere Klima wirkt sich auch in den Schulen aus, vor allem auch durch forcier­te Sexualaufklärung. Wie können christ­liche Eltern ihre Kinder da schützen? Eine Mög­lichkeit: wirklich christliche Schu­len zu gründen. Das fol­gen­de Zeugnis soll zu weiteren Initiativen ermutigen.

Das Thema Schule wird derzeit  heftig diskutiert. In der Politik fordern viele „dringend nötige Reformen“. Die Wirtschaft klagt über mangelhaft ausgebildete Schulabgänger und plädiert für sogenannte „verschränkte Ganztagsschulmodelle“. Im Bereich der Sexualpädagogik nehmen vermehrt Ideologien auf die Schulen und deren Lehrpläne Einfluss, gegen die Elternverbände und -initiativen sich zu wehren beginnen.  
Sind katholische Privatschulen Inseln der Seligen? Einerseits stehen sie heute hoch im Kurs – auch bei Eltern, die nicht kirchlich sozialisiert sind. Dahinter stecken Erwartungen an eine  gute Ausbildung und an die Vermittlung von Werten, was immer noch breite gesellschaftliche Akzeptanz findet. Ist heute aber der Unterschied zwischen katholischen Privatschulen und öffentlichen Schulen wirklich noch erkennbar? Und wenn es einen Unterschied gibt, ist es der Unterschied, auf den es ankommt? Unser Eindruck ist, dass dies nur mehr in einzelnen Fällen so ist.
Auch uns als Eltern von vier schulpflichtigen Kindern beschäftigen diese Fragen seit mehreren  Jahren. Seit September 2014 gehen unsere beiden ältesten Kinder in die vor knapp zwei Jahren gegründete „Schola Thomas Morus“ in Baden, benannt nach dem großen englischen „Heiligen des Gewissens“.
Was durch die Neugründung umgesetzt wurde und wird, ist sehr innovativ. Und doch ist die Idee gar nicht so neu: Kinder zu lehren, selbstständig zu denken, ihre Gedanken zu artikulieren und im Gespräch zu schärfen, Vernunft und Glaube miteinander zu verbinden, den Kindern Werte und Tugenden zu vermitteln, die letztlich zum Gelingen ihres Lebens beitragen sollen. All das ist keine Erfindung des 21. Jahrhunderts, sondern seit Jahrhunderten in der Schatzkiste des klassischen Bildungsgedankens vorzufinden. Ein heute leider verschütteter Schatz!  
Drei besondere Merkmale dieser Schule haben uns bewogen, ihr unsere Kinder anzuvertrauen: Da gibt es zuerst eine geistliche Ebene, nämlich die bewusste Ausrichtung am katholischen Glauben, die sich durch praktisch alle Unterrichtsfächer zieht. Dabei geht es nicht um eine Vermischung von Religion und Humanwissenschaften, sondern darum, den Blick auf die Welt aus christlicher Perspektive zu erwerben. Glaube und Vernunft sind kein Widerspruch.
Naturwissenschaften betrachten die Welt aus ihrer Perspektive, der Glaube aus seiner. Wir leben nicht in zwei Welten, sondern es gibt die eine Welt, deren Geheimnisse es zu entdecken und mit unterschiedlichen Werkzeugen zu erschließen gilt. Die Kinder sollen lernen, beide Perspektiven – Vernunft und Glaube – zu unterscheiden und zu erkennen, dass sie einander ergänzen sollen. Z.B. Wie gehen Urknalltheorie und Schöpfungsglaube zusammen? In welchem historischen Zusammenhang ereigneten sich die biblischen Ereignisse der jüdisch-christlichen Heilsgeschichte?
Damit ist bereits die geistige Kompetenz, die es zu erwerben gilt, angesprochen. Die Kinder sollen lernen, Fragen zu stellen und somit den vielleicht wichtigsten Schritt zu setzen, um die Welt besser zu begreifen. Fragen stellen, Dinge weiterdenken, Zusammenhänge erfassen.
Ein schönes Beispiel dafür ist das Fach Literatur, das wohl einzigartigerweise – noch dazu ab der 1. Klasse – an einem österreichischen Gymnasium unterrichtet wird. Die Schüler werden altersgerecht mit guter Literatur vertraut gemacht. Jedes Buch wird genau durchgearbeitet, einzelne Seiten werden im Detail besprochen und Fragen gemeinsam erörtert, etwa: „Welche Stärken und Schwä­chen haben die handelnden Personen?“, „Was ist aus Deiner Sicht das Wichtigste in dieser Textpassage?“, „Wo findest Du Parallelen in Deinem eigenen Leben?“
Ein dritter Aspekt ist die Vermittlung von Tugenden, ein Erziehungsanliegen,  das uns für unsere Kinder sehr wichtig ist. Für jeweils zwei Monate werden stets unterschiedliche Tugenden (z.B. Gerechtigkeit, Klugheit oder Tapferkeit) fächerübergreifend behandelt. Von verschiedenen Blickwinkeln wird mit den Schülern über eine bestimmte Tugend gesprochen. Auch die Eltern werden aktiv darin einbezogen, sei es durch Informationsmails oder durch Elternforen.
Die Vermittlung der erwähnten Lehrinhalte wird begünstigt durch die bewusst niedrig gehaltene Schüleranzahl (pro Klasse maximal 15 Schüler), durch die gezielte Auswahl der Lehrer, was aufgrund der rechtlichen Konstellation möglich ist, und durch eine nicht auf Schularbeitsergebnisse fokussierte Lehrmethode.
Heile katholische Sonderwelt? Vielleicht klingt das alles nach Abschottung, nach Rückzug in eine heile, katholisch imprägnierte Sonderwelt. Das darf und will es nicht sein. Wir stehen aber zu unserer Überzeugung, dass es für unsere Kinder gut und wichtig ist, gute katholische Freunde zu haben. Und gerade in der Phase der Pubertät haben gute Freundschaften einen besonderen Stellenwert.
Manche sagen, dass man Kinder nicht allzu sehr vor der „bösen Welt“ behüten sollte, sie seien dadurch später nicht in der Lage, sich in der Welt zurechtzufinden. Wir haben das Bild einer Baumschule vor Augen: freilich sind junge Bäumchen nicht dazu da, Zeit ihrer Existenz in der Baumschule zu stehen, sondern in Gärten, an Wegen, wo auch immer sie die Welt ein bisschen schöner und lebenswerter machen. Wird die junge Pflanze aber zu früh rau­en Witterungsverhältnissen, Stürmen und Wildbissen ausgesetzt, ist die Gefahr groß, dass sie zugrunde geht. Die Frage ist, ab wann man die jungen Gewächse den Stürmen der Welt aussetzt.
Vor dieser Frage stehen wir Eltern permanent. Es geht uns darum, unsere Kinder stark zu machen, damit sie einst in der Welt Frucht bringen können. Und dazu gehört Kraft im Denken, im wertvollen Handeln und nicht zuletzt im Glauben. Dies unseren Kindern zu vermitteln, sehen wir als unsere höchste Aufgabe an.


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