VISION 20004/2015
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Ehe gelingt nur zu dritt

Artikel drucken Debatte im Vorfeld der nächsten Bischofssynode (Christof Gaspari)

Zunächst ist festzuhalten: Ehen mussten in früheren Zeiten weniger lang halten als heute. Allein das Kindbettfieber hat die Lebenserwartung der Frauen stark reduziert. Die Art und Weise, wie Dr. Rader aber die „Erlösung“ aus einer Ehe, in der die „Liebe“ nachgelassen hätte, beschreibt, deutet darauf hin, dass wir uns zunächst um die Klärung des Begriffs Liebe bemühen müssen.

Wenn die Kirche von Liebe spricht, meint sie nicht Verliebtheit, also die emotionale Hochstimmung, die mit der Entdeckung einer attraktiven Person des anderen Geschlechts einhergeht. Dieses Gefühl nützt sich ab, spätestens wenn die Schwächen und Schattenseiten des anderen deutlich zutage treten und das idealisierte Bild überlagern.
Die Liebe, von der Christus spricht, ist die freie Entscheidung, den anderen als ganze Person anzunehmen, sich ihr anzuvertrauen, sich in ihren Dienst zu stellen – unabhängig von der jeweiligen Gefühlslage. So eine Entscheidung bedarf einer reiflichen Prüfung. Daher auch die Einladung, dieser Entscheidung eine Verlobungszeit vorzuschalten, die dem möglichst umfassenden Kennenlernen des Partners dient – und die Emotionalisierung durch sexuelle Beziehungen meidet.
Selbst das reicht jedoch meist nicht, weil wir Menschen nun einmal schwach sind. Die Ehe bedarf einer Versicherung. Und sie besteht darin, dass Gott selbst in dieses Abenteuer einbezogen wird. Denn rein menschlich gesehen ist die lebenslange Ehe tatsächlich eine Überforderung.  Die Ehe ist eben doch kein „weltlich Ding“.
Es gibt zwei Arten, diese lebenslange Ehe abzusichern: den gesellschaftlichen Druck von außen, der darin besteht, Ehescheidung  und Zweit-Ehen zu verbieten. Ob glücklich oder nicht – es gibt keine Alternative. Viele Gesellschaften haben durch Tradition und gesetzliche Regelungen solchen Druck aufrecht­erhalten.
Die Kirche spricht von etwas anderem: von der Stärkung des Bandes im Innenbereich durch eine „Ehe zu dritt“: In der vor Gott geschlossenen Ehe vertrauen die Partner darauf, dass in Krisenzeiten – denen kaum ein Paar entgeht – Gott selbst die Kraft zur Vergebung, zum Neubeginn schenken und somit zum Garanten des Fortbestands der Ehe wird.
In unserer Zeit, in der die gesellschaftliche Absicherung der Ehe fast komplett ausfällt und der Glaube zum „Hobby“ weniger geworden ist, stehen die meisten Menschen, was das Zusammenleben von Mann und Frau anbelangt, wirklich ziemlich hilflos da. Es fehlt sowohl die äußere wie die innere Stütze. Und das produziert die große Gruppe der  „ungetreuen Anhänger“, von denen Dr. Rader spricht.
Das Problem der Kirche ist deren große Zahl. Meist wissen die zwar getauften, aber nie wirklich mit dem lebendigen Gott in Berührung gekommenen Ka­tholiken gar nichts von dem Schatz, den die Kirche für sie bereithält. Daher nehmen sie die angebotene Garantie für die lebenslange Ehe auch nicht in Anspruch.
Der Ausweg? Dr. Rader schlägt Anpassung an die gesellschaftlichen Gegebenheiten vor. Sollte dies nicht geschehen, würde die Zahl der „Gläubigen“ weiter abnehmen, die Kirche zum unbedeutenden Verein verkommen. Sicher, keine erfreuliche Perspektive. Aber was wäre gewonnen, wenn die Kirche eine zentrale Botschaft ihres „Gründers“ verwässert, um nicht Mitglieder zu verlieren? Dass der Mensch „nicht trennen darf, was Gott verbunden hat“, ist ja nicht irgendeine Ansicht unter vielen, über die man demokratisch abstimmen könnte. Es ist die vom Mensch gewordenen Gott geoffenbarte Wahrheit über die wirklich erfüllte und erfüllende Beziehung von Mann und Frau. Von Ehe zu reden, macht überhaupt nur Sinn, wenn man damit die lebenslange Verbindung meint. Alles andere können zivilrechtliche Vereinbarungen regeln.
Die Frage kann daher nicht lauten: Sollten wir es in unseren schwierigen Zeiten in Sache Ehe nicht etwas billiger geben? Zu fragen wäre vielmehr: Wie stellen wir es an, dass die Menschen unserer Tage den von Gott gewiesenen Weg als gangbaren Ausweg aus der rundherum herrschenden Beziehungsmisere erkennen?
Zweierlei ist dafür erforderlich: eine klare, wenn auch liebevolle Sprache des Lehramtes und all jener, die in der Verkündigung wirken. Noch wichtiger aber wird ein Zweites sein: das Zeugnis jener Paare, die sich aufgemacht haben, ihre Ehe zu dritt, also mit Jesus Christus, zu gehen. An ihrem Leben sollte man staunend ablesen können, welch wunderbares Geschenk die Ehe ist: Seht, wie sie einander lieben!
Im Alten Rom jedenfalls haben die Christen in dieser Weise ihre heidnische Umgebung überzeugt und damit verändert. Warum sollte das heute anders sein?


Die Ehelehre anpassen


Zur „Ehe- und Familiennummer“ 3/15: Kaiser Franz (1772 bis 1835) war – zumindest äußerlich – gewiss ein guter Katholik, aber vier Mal verheiratet. Eine durchschnittliche Ehe dauerte bis dahin aufgrund der nach heutigen Maßstäben geringen Lebenserwartung zumeist nicht länger als zehn bis 15 Jahre, dann starb einer der Partner, wodurch der andere für eine neue, auch nach Kirchenrecht zulässige Eheschließung frei wurde.
Auch wenn die Liebe zwischen zweien nach drei, fünf, sieben Jahren nachließ, man/frau muss­te dann nur noch ein paar Jährchen durchhalten, dann ergab sich die natürliche (Er)Lösung. Die hohen Trennungs- und Scheidungsraten heute hängen direkt mit der steigenden Lebens­erwartung zusammen, sind daher nicht einfach als Folgen einer nachlassenden Moral zu verstehen.
Die Katholische Kirche hat es daher mit einem (wie hoch ist er wirklich?) steigenden Prozentsatz ‚ungetreuer‘ Anhänger zu tun (die zu einer neuen Liebe gefunden haben), die sie behalten möchte, aber durch die Verweigerung des Altarsakraments permanent vor den Kopf stößt – daher die dauernd schwärende Wunde zahlreicher Kirchenaustritte und die hohe Wachstumsrate der Konfessionslosen (ein guter Teil dieser wohl auch aus anderen Gründen).
Schon heute lässt sich absehen, dass die Zahl der Gläubigen in 20, 30, 40 Jahren erschreckend geschrumpft sein wird, wenn es nicht zu entschiedenen Reformen kommt. Die Ehe- und Familiensynode im kommenden Oktober bietet eine Chance dazu, doch die dort aufbrechenden Konflikte zwischen den zwei ‚Flügeln‘ werden überaus hart sein, bleibt ‚alles beim Alten‘, so folgt ein neuer Exodus großer Teile des derzeitigen ‚Kirchenvolkes‘.
Dr. Franz Rader, 1070 Wien




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