VISION 20005/2012
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Zuerst musst Du Dich bekehren

Artikel drucken Voraussetzung jeder Mission: (Von Urs Keusch)

Es gibt nicht wenige christlich empfindende Menschen, die schmerzlich daran leiden, dass sie nicht mehr tun können für die Bekehrung der Menschen, für die Kirche, für die Missionierung der Welt. „Sollten wir nicht an die Straßenkreuzungen gehen und dort den Menschen das Evangelium verkünden?“, fragte mich neulich eine junge Frau, „sollten wir nicht überall aus Lautsprechern die Botschaft Christi verkünden?“
Andere möchten Bücher schreiben, in die Missionen gehen, christliche Plakate an Säulen anbringen, Mauern mit Bibelsprüchen besprayen, christliche Schriften in Briefkästen verteilen und so weiter. Das alles mag gut sein, und wo der Geist Gottes zu solchen Taten drängt und geistliche Begleitung solche Impulse prüft und mitträgt, soll man es versuchen. Man darf keiner Initiative von vornherein im Wege stehen.
Wir dürfen aber andererseits bei allem missionarischen Eifer nie aus den Augen verlieren, dass es sehr leicht ist, sich übertrieben abzumühen, auf sichtbare, äußerliche Weise zu wirken. Wir messen gerne der natürlichen Tätigkeit viel zu große Bedeutung bei und übersehen dabei zwei Dinge: Erstens,dass der Herr gesagt hat „Ohne Mich könnt ihr nichts tun.“ Es hängt alles von Seiner Gnade ab. Er allein hat Zugang zu den Herzen der Menschen, Er allein bekehrt und zieht die Seelen an sich.
Und zweitens: Wir vergessen nur allzu leicht das Nächstliegende, nämlich: Dass ich mich zuerst bekehren muss, jeden Tag neu, mich jeden neuen Tag zu Gott hinwenden muss, wie es an jedem neuen Morgen auch die Blumen im Garten tun, die ihr Gesicht  nach dem nächtlichen Schlaf wieder öffnen und dem Licht der Sonne zuwenden. Das meint auch das Gebot der Bibel, wenn sie uns immer wieder einlädt: „Blickt auf zu Ihm, so wird euer Gesicht leuchten“ (Ps 34,6).
Leuchten! Ein leuchtendes Gesicht ist die erste und die am leichtesten zu verstehende Botschaft des Evangeliums. Vom leuchtenden Gesicht geht Leben aus, wie es in den Sprüchen 16,5 heißt: „Im leuchtenden Gesicht des Königs liegt Leben“. Jeder Christ, der seine Beziehung zu Gott lebt, der jeden Morgen im Gebet und in der geistlichen Lesung sein Gesicht der Sonne der Liebe und Wahrheit Gottes zuwendet, dessen Gesicht wird leuchten, er ist König, er ist Priester, er weckt, ohne dass er es weiß, Leben in bedrückten, betrübten, mutlosen Menschen. „Wir können nicht lächeln, wenn wir nicht beten.“ (Mutter Teresa)
Das leuchtende Gesicht war für den heiligen Franz von Assisi so wichtig, dass er Brüder, die mit traurigem Gesicht herumliefen, in ihre Zelle zurückschickte und sie solange beten hieß, bis der Heilige Geist ihre Herzen mit Seiner Freude erfüllte. Erst dann durften sie wieder zu den Menschen gehen.
Von diesem franziskanischen Geist der Freude war auch die selige Mutter Teresa erfüllt, immer wieder hat sie gesagt: „Der Friede beginnt mit einem Lächeln.“ Und an anderer Stelle sagt sie:
„Seid lebendiger Ausdruck der Güte Gottes:
Güte in eurem Gesicht,
Zärtlichkeit in euren Augen,
Liebe in eurem Lächeln,
Wohlwollen in eurem Gruß.“
Ein anderer Jünger des heiligen Franziskus, der selige Charles de Foucauld, schreibt einmal von sich: „Ich lache immer, zeige meine hässlichen Zähne. Dies Lachen versetzt den Nachbarn in gute Laune, es bringt die Menschen einander näher, hilft ihnen, sich besser zu verstehen, heitert manchmal ein düsteres Gemüt auf; es ist eine Tat der Nächstenliebe.“
Solches Lächeln ist in der Tat höchste Nächstenliebe. Und zu solcher täglichen und nächstliegenden Missionsarbeit sind wir als Frohbotschafter Christi alle berufen und gesandt, jeden Tag, jede Stunde.
Dieses Lächeln, diese Freude, dieses strahlende Gesicht sollen wir uns an jedem neuen Tag im Gebet neu erflehen, in der Betrachtung der Liebe und Schönheit Gottes, damit wir es unseren Kindern weiter schenken können, dem Mann, der Frau, dass wir es auf der Straße leuchten lassen können, in der Straßenbahn, an der Arbeitsstelle, dass wir es der genervten Verkäuferin an der Kasse schenken können, dem Bus-Chauffeur, dem Bettler, wenn wir ihm eine Münze in die Mütze werfen, dem Kind, das an uns vorbeihuscht. „Den Kindern, den Armen, allen, die leiden und einsam sind, gebt immer ein glückliches Lächeln.“ (Mutter Teresa)
Eine Krankenschwester in einem Pflegeheim erzählte mir unlängst: Immer, wenn ich es mit innerlich ganz verschlossenen, leidenden und verkrampften kranken Menschen zu tun habe, die sich kaum berühren und pflegen lassen, dann schaue ich sie ganz bewusst mit Liebe an und schenke ihnen ein aufrichtiges, liebevolles Lächeln, und Sie dürfen mir glauben, dann öffnen sie sich innerlich, es löst sich die Verkrampfung, und meist lassen sie sich dann ganz leicht pflegen.
Hier ist ein Hinweis ganz wichtig: Tu alles, was Du tust, in großer Liebe! Zur Schwester Maria von der Heiligsten Dreifaltigkeit sagt Jesus einmal: „Wüsstet ihr, welche Auswirkungen ein einziger Akt der Liebe hier auf Erden und für die Ewigkeit hat, so erfasste euch nur mehr ein sehnlicher Wunsch: aus Liebe handeln! Dann würde Friede herrschen.“
Das können wir uns nicht tief genug zu Herzen nehmen. „Es geht nicht um das, was wir tun oder wie viel wir tun, sondern darum, wie viel Liebe wir in das Tun legen, in die Arbeit, die Er uns anvertraut hat.“ (Mutter Teresa).
Tu darum alles bewusst aus Liebe zu Gott, dann dringen Deine Taten und Gebete und Deine Sehnsüchte wie göttliche Strahlungen von einem Ende der Erde zum anderen, dann haben sie Wirkungen bis an die äußersten Grenzen der Erde! Dann bist Du in jedem Augenblick Missionar und Apostel, dann wirkst Du mit an der Umkehr der Menschen, auch wenn Du eingebunden bist in die engen Grenzen häuslicher oder beruflicher Verpflichtung oder in einem Alten- oder Pflegeheim scheinbar nichts mehr tun kannst oder krank ans Bett gebunden bist.
Das Kleinste, das Du aus Liebe zu Gott tust, jedes kleine Gebet, das Du Dir abmühst, jedes Ertragen von Schmerzen und Beschwerden aus Liebe zu Gott, wenn Du Dich niederlegst und aufstehst aus Liebe zu Gott, isst und trinkst und schläfst aus Liebe zu Gott, ein Tässchen Kaffee trinkst aus Liebe zu Gott, alles wirkt dann als göttliche Segenswellen hinein in die Welt der armen und leidenden Menschen.
Jede kleinste Tat wird dann ein lebendiger Engel, der Dein Zimmer verlässt und in die Welt hinaus eilt und dort das Werk der Umkehr und der Liebe, des Trostes und der Hoffnung an den Menschen für Gott tut. Wenn Du nur alles aus Liebe zu Gott tust, aus bewusster, aufmerksamer Liebe!
In diesem Sinne sagte der göttliche Erlöser einmal zur heiligen Getrud: „Mehr vermag bei Gott eine einzige liebende Seele zu erlangen als viele Tausende, die der Liebe entbehren.“ Zu dieser Liebe wollen uns die Heiligen hinführen. Alle Heiligen und Apostel sind heilig geworden, weil sie diese Liebe geliebt und sie in ihrem Leben mit größter Aufmerksamkeit geübt haben.
An dieser Stelle möchte ich die Leser ermutigen, immer wieder, wenn möglich täglich, in den Schriften der seligen Mutter Teresa zu lesen, in den Schriften des heiligen Franz von Sales oder anderer Heiligen, vor allem aber auch in den Schriften der Heiligen Teresa vom Kinde Jesu, der Kirchenlehrerin der Liebe und Barmherzigkeit Gottes.
Sie sagt uns zum Abschluss: „Die kleinste und verborgenste Tat, die aus Liebe getan wird, ist oft mehr wert als die großen Taten. Nicht einmal die Vollkommenheit des Tuns zählt, sondern nur die Liebe, mit der man etwas tut… Ohne Liebe sind alle Werke ein Nichts, selbst die großartigsten, wie die Auferweckung von Toten und die Bekehrung von Völkern.“

Der Autor ist Pfarrer em. in der Schweiz.

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