VISION 20005/2012
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Gott richtet die Welt, und sie wird wieder gut

Artikel drucken Auch die Botschaft vom Gericht Gottes ist eine Frohe Botschaft (Von P. Clemens Pilar COp)

„Frohbotschaft statt Drohbotschaft“ – ein heute gängiger Slo­gan. Angeblich kommen ja „alle, alle in den Himmel…“ Dass es beim Glauben jedoch um Tod oder Leben geht, daran erinnert jedenfalls die Heilige Schrift.

Es ist höchste Weisheit, an einen Gott zu glauben, der belohnt und bestraft“, hat Voltaire am Sterbebett gesagt. Ja, es ist Weisheit, an ein Gericht Gottes zu glauben, und doch scheint heute gerade diese Weisheit auch vielen Christen abhanden gekommen zu sein. Weniges ist sie so unpopulär in der Verkündigung wie die Rede vom Richter-Gott.
In den letzten Jahrzehnten hat man sich bemüht, Gottes Liebe und Barmherzigkeit herauszustreichen. Zu tief saß in vielen christlichen Seelen das Bild eines strengen, strafenden Gottes, und die düsteren Wolken eines kommenden Jüngsten Gerichtes ließen bei manchen wenig Glaubensfreude aufkommen. Es war sicherlich nicht verkehrt, Einseitigkeiten und Verzerrungen zu korrigieren. Aber im Laufe der Zeit wurde aus dem Evangelium eine weichgespülte Kuschelbotschaft, die letztendlich zu keinerlei Entscheidung mehr aufrief.
„Gott hat alle Menschen lieb“, „alle, alle kommen in den Himmel...“ Also: Friede, Freude, Eierkuchen ... ? Doch ein Kuschel-Evangelium braucht niemand wirklich. Zur Unterhaltung kann man auch ins Kino gehen. Jene, die auf der Suche nach der Wahrheit sind, werden von solchen Verzeichnungen der Frohen Botschaft abgestoßen. In einer Welt, die immer mehr von Lüge und dem Wahn regiert wird, spürt der Suchende, dass die Wahrheit ihren Preis hat – und es gibt auch jene, die bereit sind, den Preis zu zahlen, um sie zu finden und mit ihr zu leben. „Dann sah ich einen großen weißen Thron und den, der auf ihm saß; vor seinem Anblick flohen Erde und Himmel, und es gab keinen Platz mehr für sie. Ich sah die Toten vor dem Thron stehen, die Großen und die Kleinen. Und Bücher wurden aufgeschlagen; auch das Buch des Lebens wurde aufgeschlagen. Die Toten wurden nach ihren Werken gerichtet, nach dem, was in den Büchern aufgeschrieben war. Und das Meer gab seine Toten heraus, die in ihm waren, – und der Tod und die Unterwelt gaben ihre Toten heraus, die in ihnen waren. Sie wurden gerichtet, jeder nach seinen Werken. Der Tod und die Unterwelt aber wurden in den Feuersee geworfen. Das ist der zweite Tod, der Feuersee. Wer nicht im Buch des Lebens verzeichnet war, wurde in den Feuersee geworfen.“ (Offb 20,11-15).
Zugegeben, auch wenn es sich hier um eine Beschreibung des Gerichtes in bildhafter Sprache handelt, klingt das alles doch auch bedrohlich. Was ist, wenn die Werke nicht ausreichen, was ist, wenn das Negative im Leben überwogen hat ... ? Wie kann man da von einer „Frohen Botschaft“ sprechen? Kann man das verstehen? Oder bleibt am Ende doch nur die Bangigkeit und Angst vor diesem letzten Augenblick?
Nun, ich glaube, dass wir gerade heute sehr wohl verstehen können, dass die Rede von einem endgültigen Gericht etwas Befreiendes und Hoffnung Erweckendes ist. Es ist doch auch so, dass wir in einer Welt voller Ungerechtigkeiten dankbar sind, dass es in der Welt Instanzen gibt, die dazu da sind, wieder Recht zu schaffen. Die Gerichte sollen dafür sorgen, dass das Böse nicht triumphieren kann und dass jener, dem Unrecht getan wurde, zu seinem Recht kommt. Dass es heute einen internationalen Gerichtshof gibt, der auch staatenübergreifend zum Beispiel Kriegsverbrecher verfolgen und verurteilen kann, empfinden die meisten als einen echten Fortschritt.
Doch noch bedeutender als der internationale Gerichtshof ist die Tatsache, dass es ein überweltliches Gericht gibt, vor dem letzten Endes alle Menschen ihr Leben verantworten müssen. Wer das glauben kann, gewinnt all den Mächten dieser Welt gegenüber große Freiheit.
Das Leben in dieser Welt ist begrenzt, sehr schnell ist es vorüber. Am Ende zählt nicht, ob man es allen Menschen recht gemacht hat und ob man vor den Menschen und irdischen Mächten bestehen kann, am Ende zählt nur, ob das Leben vor Gott recht war. Dieser Glaube gibt Kraft zum Widerstand gegen jeden Versuch totalitärer Mächte, absolute Gewalt über die Menschen zu erlangen. Wer an Got­tes Gericht glaubt, der kann im Innersten seine Freiheit bewahren.
Es ist kein Zufall, dass das Wort „richten“ eine doppelte Bedeutung hat, die eigentlich nur eine ist. Was kaputt ist, muss gerichtet werden, damit es wieder funktioniert. Wenn Gott die Welt, die durch die Sünde entstellt und chaotisch wurde, richtet, dann wird sie wieder gut. Deshalb heißt es in der Offenbarung unmittelbar nach den Worten über das Gericht: „Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen“ (Offb 21, 1). Alles wird durch Gott gerichtet: „Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war ist vergangen“ (Offb 21, 4). Es wird auch nichts Böses mehr in dieser neuen Welt geben (vgl. Offb 21,8).
Es sind die Jünger, die Jesus diese bange Frage stellen, als dieser von der großen Schwierigkeit spricht, die ein Reicher damit hat, in das Himmelreich zu gelangen: Eher geht ein Kamel durch das Nadelöhr ... (vgl. Mt 19, 24). Wer vermag schon der Heiligkeit Gottes zu entsprechen? Wer kann sicher sein, dass er genug gute Werke aufweisen kann? Was ist wohl in den himmlischen Büchern verzeichnet? Bange Fragen!  Aber Jesus zeigt den Jüngern einen Weg des Lebens. Er zeigt, welchen Weg man gehen muss, um vor Gott bestehen zu können. Jesus ist gerade deswegen gekommen, weil der Mensch Sünder ist und aus eigener Kraft den Himmel nie erreichen kann. Jesus kommt als Heiland und Erlöser und ermöglicht den Menschen, jetzt schon einzutreten in das Reich Gottes.
Denn so sagt es Jesus: „Denn Gott hat den Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet, wer an ihn nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat“ (Joh 3, 17-18). Jesus spricht vom rettenden Glauben.
Dieser Glaube bezeichnet die Beziehung, den Bund, den der Glaubende mit Jesus eingeht. Das ist die Rettung: auch wenn meine Heiligkeit und meine Taten niemals ausreichen, um damit den Himmel zu erlangen, so schenkt Jesus mir doch Seine Heiligkeit, und Seine Taten werden auch mir angerechnet. Denn durch die Taufe und die Eucharistie wird der Glaubende ein Leib mit Jesus. Seine Heiligkeit und Seine Herrlichkeit gehören dann auch mir. Darum sagt Jesus auch: „Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat“ (Job 6, 29).
Jetzt ist die Zeit, in der man wählen muss, auf welcher Seite man am Ende stehen möchte. Gott vermag auch den größten Sünder zu retten. Wer immer um Vergebung seiner Sünden bittet, den wird Gott von seiner Sünde abscheiden und reinigen. Wer sich vom Verkehrten nicht trennen lassen will, der kann nicht eingehen in das Reich Gottes. Gott respektiert die Entscheidung des Menschen. Auch das bedeutet das Gericht Gottes.
Jeder, der wegen der Botschaft vom Gericht Gottes besorgt ist, hat eine gute Möglichkeit, schon jetzt den Augenblick des Gerichtes zu bestimmen. Jesus selber sagt, wie das geht, und viele Stellen in der Heiligen Schrift sprechen davon: „So sollt ihr beten ... Und erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben“ (Mt 6, 9. 12).
Paulus sagt das noch drastischer: „Darum bist du unentschuldbar – wer du auch bist, Mensch – wenn du richtest. Denn worin du den anderen richtest, darin verurteilst du dich selber, da du, der Richtende, dasselbe tust“ (Röm 2, 19).
Jakobus verdeutlicht es und zeigt auch den richtigen Weg: „Denn das Gericht ist erbarmungslos gegen den, der kein Erbarmen gezeigt hat. Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht“ (Jak 2, 13).
Wer also immer besorgt ist wegen der Ernsthaftigkeit des göttlichen Gerichtes, sollte diese Möglichkeit nutzen, schon jetzt die Situation des Jüngsten Gerichtes zu bestimmen: „ ... nach dem Maße nach dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden“ (Mt 7, 2).
Gott wird mit keinem Menschen strenger sein, als dieser es selber mit den anderen gewesen ist. Der Glaube an das Gericht Gottes kann so ein Ansporn werden, das Erbarmen Gottes in reichem Maße zu verschenken.
Aus Jünger Christi, Juli 2012

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