VISION 20005/2012
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Ausschau halten nach Wegweisung

Artikel drucken Einzelexerzitien in Loretto (Michael Koder)

Jeder Mensch fragt sich einmal, wo er im Leben hinsteuern soll, was der letzte Sinn hinter all sei­nem Tun ist. Manchmal hat man auch nur eine wichtige Ent­scheidung zu treffen und will die Si­cher­heit, sie rich­tig und vernünftig getroffen zu haben…

Wenn man vor solchen Problemen steht, sind geistliche Exerzitien, konkret Ignatianische Einzel­exerzitien sicherlich eine gute Wahl. Ich entschied mich diesen Sommer für solche Exerzitien, um meinen weiteren Lebensweg näher zu beleuchten, und fand schließlich mit Gottes Hilfe einen idealen Ort für ein solches Vorhaben: das Kloster Loretto im gleichnamigen 500-Seelen-Ort im Nordburgenland, unweit von Wien.
Zunächst erstaunte mich die unkomplizierte Anmeldung: Ich rief einfach an und gab den von mir gewünschten Termin an. Da der das Kloster betreuende Orden auf Exerzitien „spezialisiert“ ist, kann man das ganze Jahr über solche machen, sofern ein Priester zur Exerzitienleitung zur Verfügung steht. Bei der Ankunft im Kloster wurde ich von einer Stille überrascht, die für mich als Bewohner der Großstadt gewöhnungsbedürftig, aber auch heilsam war. Eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Exerzitien ist meiner Meinung nach, dass man im Großen und Ganzen das Schweigen einhält, um zur Besinnung zu kommen.
Ganz auf mich selbst gestellt war ich aber nicht, denn es war täglich ein ca. halbstündiges Gespräch mit dem Exerzitienleiter vorgesehen. Darin wurden die Gedanken besprochen, die in den drei bis vier jeweils einstündigen vom Priester aufgegebenen Betrachtungen gekommen waren. So kann der Exerzitienleiter den Exerzitanten vor Irr- und Abwegen bewahren. Dieser behält jedoch eine große Freiheit des Denkens und kann seinen eigenen Weg durch die geistlichen Übungen finden.
Ich nahm mir vor, Geduld zu üben, mich vom Heiligen Geist und dem Exerzitienleiter führen zu lassen und das Anliegen, das den Grund für die Exerzitien bildete, zunächst nicht zu sehr in den Vordergrund zu stellen.
Die Exerzitien, die eigentlich auf 30 Tage ausgelegt sind, je nach den individuellen Möglichkeiten aber verkürzt werden (in meinem Fall auf 10 Tage), folgen streng den Anweisungen ihres Erfinders, des hl. Ignatius von Loyola. Anfänglich betrachtete ich die Grundberufung eines jeden (den Lobpreis Gottes und die Rettung der Seele) und die Liebe Gottes zu uns. Danach musste ich versuchen, eine passende Antwort auf diese unendliche Liebe zu finden, indem ich überlegte, wie und wo ich persönlich Gott mehr dienen kann. Diese Gedanken führten dann bei mir zur Überlegung über die persönliche Berufung (Ehe, gottgeweihtes Leben, Orden oder Priestertum), die einer Entscheidung über den Beruf vorgelagert sein muss.
Betrachtet wird in der Regel konkret anhand einer Stelle aus der Bibel oder den Schriften von Ignatius. So hatte ich mir etwa Gedanken zu machen über das wichtigste Gebot, über Sünde und Hölle, die Barmherzigkeit Gottes, das Jawort Marias, über die rechte und die falsche Sorge, das Gebet Jesu in Getsemani, sein Leiden und seine Auferstehung. Auch Regeln über die Unterscheidung der Geister waren dabei.
Zeiten der geistlichen Dürre und Ungeduld während der Betrachtungen sind normal, man darf einfach nicht zu viel von sich selbst, sondern muss alles von Gott erwarten und annehmen. Überraschend war für mich, wie sehr ich in Hinblick auf die Tageseinteilung und wäh­rend der Betrachtungen vom Heiligen Geist zur Wahrheit geführt wurde.
Am letzten Tag war ich Gott überaus dankbar, dass Er meine Fragen zur Berufungs- und Berufswahl beantwortet und mir darüber hinaus noch andere wichtige Einsichten geschenkt hatte. Ich bin überzeugt davon, dass jeder, der diese Exerzitien macht, Früchte daraus ziehen wird, mögen es auch nicht die erwarteten sein und sie erst später zutage treten.
Man muss allerdings auch zur Besinnung kommen und Gott finden wollen, sodass es äußerst ratsam ist, nur das ins Kloster mitzunehmen, was man wirklich benötigt (vor allem Bibel und Schreibzeug). Insbesondere sollten ablenkende Dinge, an denen man im Alltag allzu sehr hängt (z.B. Handy, Internet, Bücher), zu Hause bleiben, sonst kann die Seele nicht zu der Ruhe finden, die für eine gute Entscheidung nötig ist. Wichtig für meine Entspannung waren Spaziergänge zwischendurch, für die die Umgebung von Loretto sehr gut geeignet ist. Schließlich war auch der tägliche Besuch des Heiligen Messopfers in der Früh ein fixer Bestandteil meiner Exerzitien. Die Exerzitien halfen mir, in vielen Dingen wieder klarere Sicht zu gewinnen und die Ziele zu erkennen, die ich ansteuern muss.


Der Autor studiert Rechtswissenschaften in Wien. Nähere Infos über den Orden der Oblaten der Jungfrau Maria und das Kloster (Tel: 02255 8256) ist unter www.lanteri.at zu finden.  

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