VISION 20005/2012
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„Wie geht es Ihnen mit Jesus?“

Artikel drucken Josef Weinlich, vom Produktionsleiter einer Lackfabrik zum Missionar auf den Straßen Wiens (Von Alexa Gaspari)

Wie schön, dass ich immer wieder Interviews in herrlicher Umgebung machen darf: vor nicht allzu langer Zeit mit den Salzburger Bergen im Hintergrund, diesmal mit Blick auf den Neusiedlersee und auf Segelboote, die auf den Wellen tanzen. Am Strand von Podersdorf - dem einzigen Ort am Neusiedlersee ohne Schilfgürtel – haben Josef Weinlich und ich uns einen schattigen Platz, einen Steinwurf vom Wasser entfernt, gefunden. Er hat hier für Sommer- oder Wochenendaufenthalte ein Wohnmobilheim, herrlich auch für Kinder und Enkelkinder. An Josef hatte mich besonders die Tatsache beeindruckt, dass er Straßenmission betreibt, etwas, was ich mir nie zutrauen würde. Daher wollte ich mehr über ihn, seinen Lebensweg und seine Aktivitäten erfahren.
Geboren wurde er 1943 in einem Ort des Marchfelds als ältestes von vier Geschwistern. Die Schulzeit verbringt er in der näheren Umgebung. Als Heranwachsender ist der Glaube, wie er mir gleich gesteht, nicht sehr wichtig. Da aber die Eltern sehr gläubig sind, geht er natürlich am Sonntag in die Messe. Doch mindestens ebenso wichtig dürfte das Schnapsen nach der Messe im Gasthaus mit Freunden – nach denen er schon während des Gottesdienstes Ausschau hält – gewesen sein. „Also so richtig glauben war das nicht. Halt eher so traditionell,“ fasst er lächelnd zusammen.
Und doch: Als er neun oder 10 Jahre alt ist, ermuntert ihn eine Klosterschwester zum Rosenkranzbeten: für die Kinder, die Jugend… Der Bub ist einverstanden: Um seine Bereitschaft zu bekräftigen, soll er den Entschluss unterschreiben, bittet die Schwester. Na gut, also  unterschreibt er, und betet ab nun immer wieder Rosenkranz mit der Großmutter. Oft vergisst er aber auch. Doch da ist die Unterschrift! Sie begleitet und ermahnt ihn innerlich immer wieder.
Josef ist gelernter Maler und Anstreicher, obwohl er eigentlich etwas anderes hätte werden wollen. Doch sein Onkel, ein Malermeister, zeigt ihm, wie vielfältig dieses Gewerbe ist, wie man da auch künstlerisch tätig werden kann. Und so entscheidet er sich doch für diesen Beruf. Die Lehre bei einem anderen Meister befriedigt die Sehnsucht nach Kreativem jedoch gar nicht. Weil er sie aber angefangen habe, müsse er die Lehre auch zu Ende führen, erklärt der Vater. In der Lackfabrik, in der er zu arbeiten beginnt, ist er zunächst als Kundenberater, dann als Produktionsleiter tätig.
Wie aber war das mit seiner Frau Elisabeth? Wo hat er sie kennengelernt? In sie hat sich Josef gleich zweimal verliebt! Wie so etwas möglich ist? Bei einem Urlaub auf der Insel Cres – damals Jugoslawien, heute Kroatien – erblickt er ein Mädchen, das hier ein paar Tage mit einer Freundin verbringt. „Die hätt’ mir sofort gefallen! ‚Das wär die Frau’, hab ich mir gedacht,“ erzählt er schmunzelnd. Doch die „Wiener Mädeln“ sind so schnell wieder fort, dass er gar nicht dazukommt, mit ihr zu reden. Er weiß nicht einmal ihren Namen. Schade…
Monate später, im Burgenland: Josef ist mit dem Auto unterwegs – er geht dort öfter reiten – und macht eine Kaffeepause. Im Lokal ist sichtlich was los: eine Tanzveranstaltung wie sich herausstellt. „Darf ich da reinschauen?“ fragt er den Kellner. „Nein, nur wenn Sie zahlen und tanzen wollen,“ bekommt er zur Antwort. „ Ja wenn i a schön’s Menscherl find’, bleib i da,“ antwortet er fröhlich. „Also gut, schaust halt mal rein,“ erlaubt der Angestellte. Josef schaut hinein: Gleich links sitzt ein Mädchen: „ Da hab’ ich gleich g’zahlt. Ich hab’ das Gesicht gesehen und war schon…..“, schildert mir Josef anschaulich die Situation, bei der ihm noch heute die Worte fehlen.
Beim Tanz, zu dem er die Auserwählte einlädt, entdecken beide, dass sie sich schon einmal gesehen haben: Auf Cres! Zufall? Oder Führung der Gottesmutter? Josef und Elisabeth sind von Letzterem überzeugt. Ich auch! „Wir waren so verliebt, dass wir schnell, 1975, geheiratet haben,“ erzählt Josef heiter... „Hat der Glaube in der jungen Ehe eine große Rolle gespielt?“, frage ich. „Eigentlich nicht, wir waren doch so verliebt,“ lacht Josef. Erst nach ein bis zwei Jahren ergibt sich bei Nachbarn ein Glaubensgespräch: Viele Fragen tauchen auf. Eine Schwester der Jüngersuche soll ab da regelmäßig kommen, um bei der Klärung der Fragen zu helfen. Elisabeth hatte sich schon vor der Ehe zu dieser Jüngergemeinschaft hingezogen gefühlt. So ist sie von der Idee regelmäßiger Besuche der Schwester sehr angetan. Josefs Begeisterung hält sich da in Grenzen. Er lebt den Glauben eher nach dem Motto, den Herrgott gibt’s, und das war’s auch schon. „,Jetzt kommt sie schon wieder,’ war meine Reaktion, wenn die Schwester wieder zu uns kam. Ich hab halt ein bisserl länger gebraucht,“ gesteht er mit einem sympathischen Lachen und fügt hinzu: „Später kam die Zeit, wo ich gesagt habe: ‚Ich freu mich, dass du da bist’.“
Denn schon bald vertieft auch er sich in Glaubensfragen, besucht bei den Kalasantinern die Messen. Das Paar fährt auch auf das jährliche Lager der Jüngergemeinschaft: eine Woche Impulse, Gebet, Aktivitäten. Die Kinder, die sich nach zwei Jahren Ehe der Reihe nach einstellen, fahren mit.
Und doch bringt das „verflixte 7. Ehejahr“ ein mittleres Tief und Spannungen in der Zweisamkeit. Mit ein Grund ist – wie wohl bei anderen Paaren auch – die Einstellung zur kirchlichen Ehelehre. Auf der Suche nach Hilfe bittet Elisabeth ihren Mann, gemeinsam auf Exerzitien zu fahren. Der willigt ein, obwohl er auf Grund der Differenzen keine große Lust hat. Nur weil Elisabeth so nett bittet, stimmt er schließlich  sogar zu, dort bei der Erneuerung des Eheversprechens mitzumachen.
Aber: „Von da an hat die Sonne in unsere Ehe hineingelacht. Wir konnten wieder miteinander reden. Es ist zwischen uns etwas  neu gewachsen. Die Lisbeth war ja von Anfang an überzeugt, dass Jesus uns heraushelfen wird. Sie hat immer gesagt, das Ehesakrament sei etwas Besonderes,“ erklärt Josef diesen Wandel.
Gott – der Dritte im sakramentalen Ehebund – hilft ihnen jetzt Schritt für Schritt weiter: Er schickt ihnen immer wieder Priester („ganz wichtig war die Beichte. Bei dem, was mir der Priester erzählt hat, ist mir ein Licht aufgegangen“) und Ehepaare, mit denen die Beiden reden können.
Dann lernen sie Dr. Josef Rötzer kennen. Von dessen Sicht betreffend Ehe und Sexualität ist Josef Weinlich begeistert : „Er hat so gut und liebevoll darüber gesprochen, dass mir nochmal ein Licht aufgegangen ist.“ Er erkennt, dass er in die Ehe „ganz anders hineingegangen ist, als er hätte sollen“: z.B. der Sexualität den richtigen – nicht den ersten – Platz zuweisen. Elisabeth hatte über Rötzers natürliche Empfängnisregelung schon gelesen ge­habt, aber ihr Mann – wie viele andere – hatte mit periodischer Enthaltsamkeit nichts anfangen können.
Nun fällt aber der Entschluss: Beide besuchen einen NER- (Natürliche Empfängnisregelungs-) Kurs. So lernt Josef, dass die Ehe weit mehr zu bieten hat als das, was man als Bursche in der Jugend zu hören bekommt und ist von diesem „Lebensweg“ angetan. Dabei lernt er auch Jesus neu und intensiver kennen. Mit der Ehe geht es nun stetig bergauf. „Ich habe dem Herrgott dann für dieses Tief gedankt. Ab da wusste ich erst richtig wo’s lang geht.“
Nicht genug, dass nun ihre Ehe saniert war, ab da versuchen die Weinlichs auch anderen Paaren zu helfen, einen neuen Blickwinkel auf ihre ehelichen Beziehungen zu eröffnen. Seit vielen Jahren halten sie nun selbst Kurse über den Lebensweg der NER. „Wieso hört man das nicht in der Kirche?“, fragen da viele nach dem Kurs. So manches Paar wundert sich dann auch nicht mehr, wieso ihre Ehe nach jahrelangem Pillenkonsum so erkaltet war. Etliche marode Ehen werden durch die Kursbesuche saniert, weil die Paare erkennen, dass gemeinsame Verantwortung und gegenseitige Rücksichtnahme entscheidend sind. „Enthaltsamkeit ist ein Goldstückerl. Sie ist ganz wichtig für die Ehe. Da geht es ums Du, da wird man frei für anderes, auch für Gott. Frei von Bedrängnis. Da wächst wieder die Sehnsucht, die Zärtlichkeit,“ stellt Josef klar. Paare, die mit sexuellen Beziehungen bis zur Hochzeit warten, das konnte Josef gerade erst wieder bei einem Kurs feststellen, „gehen ganz anders – rücksichtsvoller und einfach lieb – miteinander um.“
Er – seine vier Kinder sind mittlerweile zwischen 25 und 35 – macht gern Reklame für den Kurs: „Dreimal zwei Stunden und du erfährst, was sich da im Organismus alles abspielt, was der Schöpfer in uns hineingelegt hat. Wie oft geht man ins Kino? – (oder sitzt stundenlang vor dem Fernseher, denke ich unwillkürlich). Und das sind nur wenige Stunden, die so vieles zum Guten wenden können. Eigentlich sind alle begeistert, die mitgemacht haben.“ Eine gute Investition.
Für ihn sei dieser Lebensweg ein wichtiger Schritt auf Gott zu gewesen, resümiert Josef im Rückblick, aber so richtig „schleifen“ konnte – und kann – Gott ihn beim Straßenapostolat. Wie es dazu kam?
„,Ich möchte mich für die Glaubensnot meiner Brüder einsetzen,’ heißt es in einem Gebet der Jüngergemeinschaft,“ erläutert Josef „und daher bin ich vor vielen Jahren bei Hausbesuchen mitgegangen,“ erinnert er sich. Zunächst ist noch die Angst da: Was ist, wenn ihn jemand anschreit, aggressiv wird, ihm seinen Frust hinschmeißt? Aber eines Tages schenkt ihm Jesus die Gnade, sagen zu können: „Herr, ich gehe für Dich, auch wenn ich dabei auf die Nase falle.“ Seither – und es klingt überzeugend – habe er niemals mehr Angst gehabt.
Ein- bis zweimal pro Woche macht er nun – immer zu zweit, einer betet und einer spricht – („Jesus hat die Jünger auch zu zweit ausgesandt“) seit 15 Jahren Straßenmission. „Wie spielt sich das ab?“, will ich genau wissen. „Wir stehen z.B. bei der Uni oder beim Uni-Campus, dort, wo junge Leute sind – da ist es natürlich gut, wenn jemand jüngerer dabei ist. Ich gehe auf jemanden zu, stelle uns vor und sage: ,Wir sind von der katholischen Kirche,’ und frage, wie es ihm oder ihr mit Jesus oder der Kirche geht.“
Lassen sich die Leute einfach ansprechen?“, frage ich ungläubig. „Ja, die meisten. Da kommt natürlich auch Negatives über die Kirche heraus. Das ist ihr gutes Recht, das ist ihre Sicht. Da heißt es: ausreden lassen, zu­hören, auf sie eingehen. Lässt man sie ausreden, ohne sie zu unterbrechen – sonst machen sie sofort zu – und fragt dann, ob man zu der einen oder anderen Kritik etwas sagen darf, heißt es meist: ,Ja bitte.’ Sie hören dann auch zu.“
„Kurz und bündig muss man sprechen,“ erklärt Josef. „Viele hören zum ersten Mal eine andere Sicht, als die der Medien und der Gleichaltrigen, etwa zum Thema Verhütung: dass Kondome nicht halb so sicher sind, wie behauptet wird, und schon gar kein 100-prozentiger Schutz gegen Aids.“
Einmal spricht Josef mit einem Pater ein Mädchen an: Sie lässt ihrem Ärger über die Kirche freien Lauf, gibt sich als überzeugte Kommunistin zu erkennen. Da fragt sie der Pater: „Darf ich dich segnen?“ Ja. Und so betet der Pater für sie, segnet sie. Da beginnen ihre Augen zu strahlen: „Wow!“, meint das Mädchen schließlich beeindruckt: „Macht weiter so,“ und geht ganz verändert weg.
Einmal zu Weihnachten fragt er eine Frau: „Was schenken Sie Jesus zu Weihnachten?“ „Ich? Jesus? Wieso? Wir beschenken uns in der Familie! Was sollte ich denn Jesus schenken?“ „Nun,“ meint Josef, „was Sie am Herzen haben, was Sie traurig macht, Probleme, all das.“ „Auch so was Grausliches?“, fragt die Frau. „Ja, alles.“ Da werden ihre Augen nass: „Da habe ich Ihm aber viel zu schenken.“
Ein anderes Mal beschwert sich ein Mädchen, die Kirche wolle den ganzen Spaß am Sex mit ihrer Moral verderben. Ob ihr der denn so wichtig sei, fragt Josef zurück. „Nein, eigentlich nicht,“ meint sie nach kurzem Überlegen, aber der Freund würde sie verlassen, wenn sie nicht mitspielt. Nach einem Gespräch zu diesem Thema verlässt ihn das Mädchen zufrieden, mit den Worten: „Ich verspreche Ihnen: jetzt werde ich enthaltsam leben.“ Bei einer anderen Gelegenheit begleitet Josef ein Freund, dessen Eltern geschieden sind. Dieser kann einer jungen Frau, deren Eltern sich gerade scheiden ließen und die ihnen ihr Elend erzählt, mit seinem persönlichen Zeugnis sehr helfen.
Das Team der Jüngergemeinschaft sieht laufend, wie groß die Glaubensnot ist und wie schwer sich daher viele Menschen tun, ihr Leben zu bewältigen. Darum ist dieses Apostolat so wichtig: Da gibt es Geschiedene, die meinen, sie dürften nicht mehr beichten (sie dürfen natürlich!) oder Leute, die aus der Kirche ausgetreten sind und gern mit einem Priester reden würden, aber meinen, das ginge nicht. „Die Sehnsucht ist bei vielen da, aber verschüttet. Einmal kam einer zu uns, der nur im Vorbeigehen gehört hatte, dass da jemand von der Kirche ist und über Gebet redet. Er bat um Gebet für seinen kranken Sohn, war selbst aber noch nie in einer Kirche gewesen.“
So mancher versteht, dass man mit jemandem reden, mit ihm Zeit verbringen muss, wenn man mit ihm Freund werden will. Und mit Jesus ist das genauso. Viele nehmen sich dann vor zu beten, in die Kirche zu gehen. Ob sie es tun? Dafür fühlt Josef sich nicht verantwortlich. Er sei nur Werkzeug Gottes: „Geht hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium, hat Jesus uns aufgetragen. Der Rest ist Seine Sache – und die der Angesprochenen. Wir bitten Jesus, sie mit dem einen oder anderen Wort anzurühren.“
Außerdem: „Bei diesem Apostolat wird man selbst sehr beschenkt. Manchmal sag ich etwas und denke: Das hast du jetzt gesagt, aber lebst du es auch? Einmal habe ich jemanden gesagt, es sei wichtig, alles gemeinsam mit Jesus zu tun. Dann hab ich mich aber gefragt: Wie sehr tu ich das? Wie viele Entscheidungen treffe ich, bei denen ich Jesus nicht gefragt habe!“ Vergnügt erklärt er: „Selbst wenn sich bei einem Gespräch niemand bekehrt, vielleicht werde ich selbst dabei neu. Das passiert immer wieder.“
Etliche hundert Junge – und weniger Junge – hat mein Gesprächspartner schon angesprochen. Manche haben so vieles zu besprechen, dass sie zu den Kalasantinern eingeladen werden, um in Gesprächen mit den Patres ihre Fragen zu klären oder dort gleich zu beichten, weil ihnen bewusst wurde, dass ihnen ein Neuanfang – mit Jesus – gut täte. Wie unentbehrlich ist doch solche Mission! Sie kann neuen Sinn im Leben aufzeigen, Lebensmut schenken, einen Freund, Jesus, vermitteln, zeigen wie man den Schutt oder den Panzer, den viele herumschleppen, loswerden kann.
Wer wie Josef, so viele wesentliche Gespräche mit Jugendlichen geführt hat, tut der sich auch leichter mit den eigenen Kindern? Das Straßenapostolat habe ihm jedenfalls viel für Ehe und Kindererziehung gebracht, bestätigt er. Von Natur aus sei er nämlich eher ein schlechter Zuhörer gewesen. Etwa seit seinem 56. Lebensjahr ist Josef bei seinen Kindern daheim geblieben. Die Fabrik, in der er die letzten Jahre tätig war, musste wie viele andere kleineren Firmen, zusperren. Es gab kaum Möglichkeiten, in seinem Beruf weiterzuarbeiten. Also bleibt er zu Hause bei den vier Kindern und Elisabeth, gelernte medizinisch-technische Analytikerin, die bis dahin Hausfrau gewesen war, steigt wieder in den Beruf ein – sicher kein leichter Entschluss.
Da ich weiß, dass seine erwachsenen Kinder alle im Glauben verankert sind, einer der Söhne neben Mathematik auch Religion unterrichten wird und dass zwei Söhne ehrenamtlich bei Radio Maria mitgewirkt haben, möchte ich als Mutter und Großmutter wissen, wie den Weinlichs dieses Kunststück gelungen ist.
Solange die Kinder klein waren, höre ich, hätten die Eltern mit den Kindern gebetet. Später konnten sich die Kinder zum Gebet im Wohnzimmer am Abend dazusetzen oder auch nicht. Wenn sie nicht in die Kirche gehen wollten, hieß es: Du brauchst nicht zu gehen, denke aber daran: Jesus ist immer, 24 Stunden am Tag, für dich da. Und du? „Gekeppelt aber wurde nicht und auch nicht Druck – auch nicht beim Lernen übrigens - ausgeübt.“ Die Kinder hätten immer gewusst, dass für sie gebetet wird, sie ihre Probleme, Prüfungen etc. Jesus hinlegen könnten. Jesus war selbstverständlich immer mitten in ihrem Leben. Auch die Sommerlager der Jüngergemeinschaft mit einer sehr guten Jugendbetreuung hätten dazu beigetragen. Bis heute bestehen Freundschaften aus dieser Zeit. „Ganz wichtig ist das Zuhören, sie ernst nehmen wie bei den Jugendlichen, die wir auf der Straße ansprechen. Kurz und bündig seine Meinung sagen. Keine langen Moralpredigten, die da rein und sofort wieder raus gehen.“ Soweit zur Erziehung.
Seit einiger Zeit beteiligt sich Josef auch bei der Pfarrmission in Donaufeld: Er geht also – wiederum zu zweit - von Haus zu Haus, nachdem zuerst ein Priester die Freiwilligen gesegnet hat. Sie klopfen an jede Tür. Ich bin ehrlich überrascht, dass man ihnen aufmacht. „Wir sind von der Pfarre Donaufeld,“ beginnen sie z. B. ,möchten ihnen das Programm bringen, Sie herzlich in die Heilige Messe einladen.“ Viele seien sehr interessiert, erzählen, wie es ihnen mit der Kirche, der Pfarre, mit Jesus geht. Die ehrenamtlichen Missionare führen Rosenkränze, kleine Büchlein, aber auch Weihwasser mit, das sie den Leuten geben, damit sie das Segnen in der Familie wieder mehr praktizieren.
Falls gewünscht, besuchen sie die Leute auch mehrmals. Für das Team sei dieser Dienst keinesfalls eine Last, höre ich. Alle gingen gern und seien begeistert dabei.„Das Schöne ist, dass das Team sehr zusammengewachsen ist. Man lernt da die verschiedenen Talente der Freunde kennen, spürt, wenn der andere etwas sagen möchte. So viele Charismen schlummern in jedem von uns. Jeder spricht die Leute anders an, hat eine andere ,Medizin’ für die Menschen,“ freut sich mein Gesprächspartner. „Dass man so zusammengeschweißt wird, kommt davon, dass man miteinander betet.“ Zusammenfassend: „Beim Apostolat wächst man und wird beschenkt“.
Das müsse man aber auch können, wende ich ein. Man bräuchte zuerst nur mitgehen und beten, erwidert Josef verständnisvoll. „Mehr braucht’s nicht. Jesus zeigt einem dann, ob man das Charisma hat, auf Leute zuzugehen.“ Josefs Talent ist es jedenfalls.
Und noch etwas erzählt er mir, was mich beeindruckt: Er sei ein engagierter Großvater. Nun da seine eigenen Kinder erwachsen sind, kümmere er sich um seine beiden Enkel. Weil deren Mutter Volksschullehrerin ist und in der Früh mit den Kindern aus dem Haus geht, macht der Großvater den Haushalt und kocht für Tochter und Enkel, wenn sie mittags nach Hause kommen. Über diese Aufgabe freut er sich sichtlich: „Wichtig ist, dass ich da bin, wenn eines der Kinder krank ist. Hätte ich diesen Dienst nicht übernommen, wäre die Tochter nicht berufstätig geworden,“ betont mein Gegenüber. So einen Großvater würden sich viele wünschen!
Nach einem gemütlichen Mittagessen verlassen wir, ungern, die beiden Weinlichs und den schönen Neusiedlersee. Dort bin ich einem bodenständigen Mann begegnet, einem Missionar, der das, wovon er redet, selbst zu verwirklichen versucht: in der Familie, der Pfarre, im Land. Es gibt noch viel Arbeit in Österreich für solche Missionare. Denn: „Die Sehnsucht nach Jesus ist zwar vielfach verschüttet, aber groß,“ weiß Josef.

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