VISION 20006/2020
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Der heilige João de Britto

Artikel drucken Botschaft an uns (Von Dom Antoine-Marie OSB)

Eines Tages im Jahre 1663 oder 1664 erschien der Infant Don Pedro, der Thronerbe Portugals, an der Pforte des Noviziats der Jesuiten in Lissa­bon; alle Novizen stürzten herbei, um den erlauchten Besucher zu begrüßen – mit Ausnahme João de Brittos, der dem künftigen König früher als Page gedient hatte. Als er schließlich kam, trug er eine Schürze, denn er hatte gerade einen erkrankten Diener des Konvents gepflegt. „Ich bin entzückt“, rief der Prinz, „dass ich Sie im Dienst Ihres neuen Herrn antreffe! Sie werden da einen reicheren Lohn ernten als bei mir …“
Johannes (João) de Britto wurde am 1. März 1647 in einer Familie des portugiesischen Hochadels geboren. Mit neun Jahren kam er als Page an den Hof. Inmitten der jungen, reichen Adligen stach er durch seine engelhafte Reinheit hervor. Das Treiben am Hof, das er hautnah miterlebte, führte dazu, dass er der Welt den Rücken kehrte und am 17. Dezember 1662 mit 16 Jahren in die Gesellschaft Jesu eintrat.  Während seines Philosophiestudiums in Coimbra bat João den General des Ordens, ihn in die Mission nach Indien zu entsenden. Im Februar 1673 in Lissabon zum Priester geweiht, wurde er von seinen Oberen in den Süd­osten Indiens in die Gegend von Madurai entsandt.
Die Missionare landeten im September in Goa, einer portugiesischen Kolonie an der Westküste Indiens. João begab sich sogleich zur Danksagung in die Kapelle, in der der auf wunderbare Weise erhaltene Leichnam des hl. Franz Xaver ruhte. Er erlernte rasch die Sprache der Tamilen und brach im folgenden Jahr nach Madurai (im äußersten Süden von Indien) auf. Der junge Missionar machte sich zunächst mit dem Land vertraut, insbesondere dem Hinduismus, dem Kas­tensys­tem sowie den starren und komplizierten gesellschaftlichen Regeln. Er erkannte, wie wichtig es war, das Wohlwollen der obers­ten Kaste der Brahmanen zu gewinnen: Sie war der wichtigste Schlüssel zur Bekehrung des Landes. Daneben wandte er sich jedoch auch den Ausgegrenzten, den Parias bzw. Ausgestoßenen, zu, die er vorzugsweise nachts aufsuchte.
Da er beim Verkündigen des Evangeliums die positiven Elemente der Weisheitslehre der Veden berücksichtigen wollte, studierte er die in Sanskrit verfassten heiligen Schriften des Landes und übernahm bestimmte asketische Regeln hinduistischer Mönche, sofern sie nicht gegen die christliche Lehre verstießen.
Während einer Pestepidemie versuchten Anhänger Shivas, einer der drei indischen Hauptgottheiten, das Volk gegen die Missionare aufzuwiegeln, indem sie ihnen die Schuld an der Seuche gaben; doch die tätige Liebe des Paters, der die Pestkranken pflegte, konnte das Schlimmste verhüten.
Die Missionare ließen sich von einheimischen Katecheten helfen. Die Gläubigen wohnten im ganzen Land verstreut und nahmen bisweilen lange Fußmärsche auf sich, um die Sakramente zu empfangen. Die Predigten João de Brittos wurden durch Wunder beglaubigt, z.B. durch die Auferweckung eines getauften Kindes, das von einem Blitz getroffen worden war. „Solche Gnadenerweise kommen so häufig vor, dass unsere Christen sich daran gewöhnen,“ stellte der Missionar fest. Gleichwohl erleichterten sie seine Mission gewaltig, insbesondere im Hinblick auf die Abschaffung der damals unter den Eliten des Landes verbreiteten Polygamie, welche die Evangelisierung beträchtlich erschwerte.
Der erbitterte Widerstand der heidnischen Obrigkeit gegen die Verkündigung des Evangeliums zwang P. de Britto schließlich, für sechs Monate die Region zu verlassen. In dem auf seine Rückkehr folgenden Jahr taufte er allerdings 1200 Heiden. Zwei Jahre danach wurde er im Alter von 38 Jahren zum Superior der Mission von Madurai ernannt und füllte das Amt bis 1686 aus. Da von den Heiden nach wie vor nach ihm gefahndet wurde, musste er in einem Klima der Verfolgung halb im Untergrund leben; gleichwohl erwuchs ihm immer wieder auch unverhoffter Beistand seitens sympathisierender Heiden.
Die Brahmanen waren über die Erfolge des Paters bei der Evangelisierung Maravars, eines Königreichs in der Nähe von Madurai, so verärgert, dass sie ihn 1686 ermorden lassen wollten. Eine von ihnen bezahlte Truppe machte sich auf den Weg zu der jungen christlichen Gemeinde, in der sich der Pater aufhielt. João und seine Katecheten wurden verprügelt, gefesselt und in Haft genommen. Man versprach ihnen die Freiheit, wenn sie bereit seien, Shiva anzubeten oder seine Asche auf die Stirn gestrichen zu bekommen; beides lehnten sie einmütig ab.
João de Britto wurde wegen der Verkündigung eines fremden Glaubens und wegen seiner Weigerung, dem Hindu-Gott zu huldigen, zum Tode verurteilt und noch am selben Tag gegeißelt. Dann wurden die Gefangenen ins Gefängnis zurückgebracht, wo das Todesurteil bestätigt wurde. Die Todeskandidaten beteten zum Dank gemeinsam den Rosenkranz. Der Pater machte sich Sorgen wegen der Wirkung der strengen Strafen auf die Neubekehrten. Er ließ ihnen sagen: „Von den Menschen habt ihr nichts zu befürchten. Der Vater im Himmel wird sich eurer annehmen. Wenn Er zulässt, dass ihr gefoltert werdet, wird er euch zunächst den nötigen Mut, dann die ewige Herrlichkeit schenken.“
Die Verurteilten wurden einen Monat lang in den königlichen Stallungen gefangen gehalten und schließlich freigelassen, ohne dass jemand erfuhr, warum.
Die Vorgesetzten von P. João beschlossen daraufhin, ihn an den Hof von Lissa­bon zu versetzen, wo er die Interessen der Indienmission vertreten sollte. Der Pater schiffte sich nach Europa ein und kam im September 1687 in Lissabon an, wo sich die Nachricht von seiner Verurteilung zum Tode bereits verbreitet hatte; so war die Menge, die zur Begrüßung seines Schiffes in den Hafen gekommen war, sehr überrascht, als er von Bord ging.
Die Berichte des Missionars stießen überall auf so große Begeisterung, dass mehrere Priester und Studenten ihm nach Indien folgen wollten. „Wir können doch nicht alle Kollegien schließen, um diese edlen Wünsche zu erfüllen“, klagte einer der führenden Jesuiten des Landes.
P. João besuchte König Pedro II. Dieser war durch den Anblick seines Jugendfreundes, der zu einem ausgemergelten, früh gealterten und von der erlittenen Folter gezeichneten Missionar geworden war, erschüttert und versuchte, João als Erzieher seiner Kinder in Portugal zu behalten. Doch der Missionar lehnte mit der Begründung ab, er werde in Indien mehr gebraucht.
Und so stach er am 19. März 1690 in Begleitung von 19 Ordensleuten wieder ins Meer. Als er im November in Goa landete, wurde er triumphal empfangen. Nach drei Monaten reiste er nach Madurai weiter, wo er wieder als Wanderprediger wirkte, wobei er aus Vorsicht nie länger an einem Ort verweilte. Er schrieb an einen Mitbruder: „Beten Sie für mich, denn dieses Land ist ein überaus schwieriges Betätigungsfeld. Ich brauche einen ganz besonderen Beistand des Himmels, um erfolg­reich zu sein.“
Als er in eine Konfliktzone vordrang, die ständig von Soldaten durchstreift wurde, musste er im Wald schlafen. „Es ist bereits vier Monate her, dass ich in einen Wald verbannt bin; ich lebe inmitten von Tigern und Schlangen, die es hier in großer Zahl gibt. Ich hause in einem Baum“, schrieb er an einen Bischof. Denn er fand trotz alledem Mittel und Wege, um einen Briefwechsel mit seinen Vorgesetzten sowie diversen anderen Personen zu unterhalten.
An einem Ort nahm er in 14 Tagen 1.000 Leuten die Beichte ab und taufte 400 gut vorbereitete Katechumenen. Als die Gefechte und Verfolgungen einmal etwas nachließen, taufte er in 18 Monaten 8.000 Katechumenen. Daneben musste er wilde Ehen legalisieren, Abtrünnige zurückgewinnen usw. Immer mehr Leute konvertierten, selbst in den oberen Kasten und in der Verwandtschaft des Königs; doch damit wuchs auch die Gefahr für ihn. „Am zweiten Fastensonntag hat man versucht, mich zu verhaften, doch ich war eine halbe Stunde vor Ankunft der Feinde aufgebrochen“, schrieb der Pater an einen Mitbruder. In einem Brief an einen anderen Mitbruder stand: „Ich höre Beichten, taufe und spende mehr Sakramente denn je. Von allen Seiten werde ich um Katecheten gebeten … Was sind demgegenüber alle Herrlichkeiten Europas?“
Aufgrund seiner Kompromiss­losigkeit im Hinblick auf die Heiligkeit der Ehe wurde João de Brit­to oft mit dem hl. Johannes dem Täufer verglichen, der seine Treue zum Gesetz Gottes, insbesondere zum absoluten Verbot jeder ehebrecherischen Beziehung, mit dem Leben bezahlt hatte.
P. de Britto war sich der drohenden Gefahr bewusst; er verabschiedete sich von den Christen und forderte sie auf, sich zu verstecken: „Was Gott von mir fordert, fordert er nicht von euch“. Er wurde bereits am 8. Januar 1693 zusammen mit einem zum Chri­stentum konvertierten Brahmanen und zwei Katecheten verhaftet, verprügelt und aufgefordert, Shiva anzubeten, was er ablehnte. Man verlegte ihn anschließend nach Ramnad, wo er mit sechs weiteren Christen zusammengesperrt war.
Der Pater hatte sein Brevier bei sich behalten können und las daraus seinen Mitgefangenen jeden Tag die Lebensgeschichte eines Märtyrers vor. Er schrieb Briefe an seine französischen Freunde in Indien sowie an seine Vorgesetzten bei den Jesuiten und bat sie, nicht für ihn zu intervenieren, da er wusste, wie kostbar sein Martyrium für die immer noch verfolgten Neubekehrten werden würde. Er wurde am 28. Januar heimlich zum Tode verurteilt, doch die Behörden kündigten an, dass er aus Angst vor einem Aufstand der Christen vermutlich verbannt werde.
Zwei Tage später wurde er zusammen mit einigen anderen nach Oriyur verlegt. Der Fürst, der über den Ort herrschte, war krank und bat seinen Gefangenen, ihn zu heilen, dann würde er ihm das Leben schenken. Der Missionar sprach von einer anderen Heilung zu ihm, von einer moralischen und geistlichen Gesundung, doch der Fürst wollte nichts davon hören und befahl seine Hinrichtung. Der Pater schrieb einen letzten Brief voller Glauben, Demut und Hoffnung an seinen Freund, P. Johannes da Costa: „Ich bin nach Oriyur gebracht worden, um enthauptet zu werden: Ich habe auf der Reise viel gelitten, bin aber schließlich angekommen. Vor dem Gericht musste ich ein langes Verhör über den Glauben, zu dem ich mich bekannt habe, über mich ergehen lassen. Dann wurde ich wieder ins Gefängnis zurückgebracht, wo ich jetzt auf den Tag des Glücks warte … Adieu, lieber Pater. Geben Sie diesen Brief bitte an alle unsere Patres weiter. Ihr Diener und Freund in Jesus Christus, Johannes de Britto.“
Der neue Apostel Indiens wurde am 4. Februar 1693, einem Aschermittwoch, enthauptet. Der Soldat, der ihn hinrichtete und den der Pater zuvor umarmt hatte, bekehrte sich und wurde im Rahmen einer Massentaufe getauft. João de Britto wurde am 21. August 1853 von Papst Pius IX. selig- und am 22. Juni 1947 von Pius XII. heiliggesprochen; sein liturgischer Gedenktag ist der 4. Februar. Oriyur wurde ein von den Christen Südindiens oft besuchter Wallfahrtsort.



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