VISION 20001/2003
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Unterwegs zum vollendeten Leben

Artikel drucken Im Licht der Hoffnung sieht der Christ durch alles Schwere hindurch (Von Urs Keusch)

Es gibt für einen Seelsorger kaum eine Erfahrung, die ihn so ratlos, so hilflos, ja, so traurig macht, wie wenn Menschen, vor allem alte, keine Hoffnung haben. Wenn sie einem noch wenige Tage oder Stunden vor dem Sterben sagen: “Ach, Herr Pfarrer, man weiß ja nicht, was nachher kommt..."

Die Hoffnung, daß Menschen in beseelter Hoffnung auf den Herrn zugehen, stellt sich immer seltener ein. Dieses Erlöschen der christlichen Hoffnung betrifft nicht nur alte Menschen, doch bei ihnen ist sie besonders tragisch, weil die meisten von ihnen noch in christlichen Traditionen großgeworden sind. Der Verlust der Hoffnung geht durch alle Altersgruppen. Die Hoffnungslosigkeit ist heute jedenfalls allgegenwärtig, und sie hat viele Gesichter.

Woher kommt dieser Verlust der Hoffnung? Vom Mangel an Glauben und Liebe. Die Hoffnung ist nicht etwas, was der Mensch hat oder eben nicht hat. Er erzeugt sie nicht in sich selbst. Es ist auch nicht positives Denken. Es ist nicht Optimismus. Es ist nicht eine glückliche Gemütsveranlagung.

Die Hoffnung, die christliche Hoffnung, die sich sehnsüchtig und zuversichtlich über dieses Leben, über diese Welt ausstreckt - sie kommt von Gott. Sie ist mit dem Glauben und mit der Liebe eine göttliche Tugend, weil sie von Gott kommt.

Sie wird mit der Heiligen Taufe, mit dem Glauben und mit der Liebe ins Erdreich des menschlichen Herzens eingesät. In diesem Erdreich der Gnade sollen sie wachsen und wie Bäume tiefe Wurzeln schlagen, sie sollen blühen und reiche Frucht tragen.

Die Hoffnung ist immer nur dort, wo auch Glaube und Liebe ist. Wo nur Glaube ist und die Liebe fehlt, dort ist auch die Hoffnung nicht: Dort ist sie ohne hinreißende und erweckende Kraft. Darum sind Menschen, die im Glauben tief verwurzelt sind und in der Liebe weit ausgreifen, immer auch hoffnungsvolle Menschen. In ihnen ist der Herr auferstanden. Was von der Liebe gilt, gilt auch von der Hoffnung: “Stark wie der Tod ist die Hoffnung. Auch mächtige Wasser können sie nicht löschen." (Hld 8,6-7)

In diesem Jahr ist eine ausgezeichnete Biographie über den Papst erschienen. Sie trägt den Titel: Zeuge der Hoffnung (Schöningh Verlag). Der Titel könnte nicht besser gewählt sein. Warum wird der Papst so genannt?

Weil kein Mensch in den vergangenen 20 Jahren den Menschen und Völkern so viel Hoffnung zugesprochen hat wie er. Und es gibt wahrscheinlich kaum einen Menschen auf der Welt, der die Welt in ihrer tödlichen Gefährdung, ja Bedrohung so tief und mitleidend wahrnimmt und kennt wie er.

Woher bezieht dieser Mann seine Hoffnung? Aus seinem felsenfesten Vertrauen und Glauben an Jesus Christus und aus seiner Liebe zu Ihm. Er bezieht sie aus dem Glauben an die Auferstehung unseres Herrn. Wo der Papst hinkommt, wo er zu den Menschen spricht, immer und überall wiederholt er dieses sein Bekenntnis, daß der auferstandene Herr der Grund unserer Hoffnung ist.

Warum aber ist der Glaube an den auferstandenen Herrn der Grund, ja der Jungbrunnen unserer Hoffnung? Ich möchte darauf eine dreifache Antwort geben:

* Weil wir nicht bloß an eine Botschaft, ein Buch, einen Religionsstifter glauben, der etwas verkündet, gelehrt hat und dann gestorben ist wie alle anderen, sondern: Wir glauben an Jesus Christus an das Leben selbst, das ewige Leben, das auferstandene Leben, verborgen gegenwärtig in der Kirche bis ans Ende der Tage (Mt 28,20).

Christus hat nicht gesagt: “Ich lehre euch den Weg, die Wahrheit und das Leben", sondern: “Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. (Joh 14,6).

Und auf dieses neue, vollendete, österliche und ewige Leben gehen wir zu, wenn wir im Glauben in Jesus Christus sind (2Kor 5,17). Ja, wir werden von Ihm angezogen: Es ist die Vorfreude auf die Hochzeit, zu der wir eingeladen sind, und die uns voll Hoffnung den Weg gehen läßt (Offb 19,9).

* Auch unsere Erde, auf der wir leben und die Gott so herrlich geschaffen hat, um auf ihr Mensch zu werden, auch sie - und mit ihr die ganze Schöpfung - ist nicht einfach dazu verurteilt, in einem kosmischen Tod für immer unterzugehen. Sie nimmt vielmehr mit ihren Leiden, ihren Schmerzen und mit ihrem Sterben teil an dem neuen Leben, wenn der Herr wiederkommt, um alles zu vollenden. “Seht, ich mache alles neu" (Offb 21,5) Wir können von der Liebe unseres Schöpfers zu Seiner Schöpfung nicht herrlich und groß genug denken! (Gen 1,31)

* Und sollten die Mächte des Bösen ihren Gürtel noch enger um die Erde anziehen als bisher, sollte es noch einmal so weit kommen, daß die Todesmächte alles Leben auf Erden zu ersticken drohen und zu einem letzten Schlag gegen die Kirche ausholen: Gerade dann weiß der Christ in seiner Hoffnung, daß der Herr nahe ist, um Seinen Sieg aufzurichten. Und dann ist auch die Zeit gekommen, das Siegeslied anzustimmen: “Halleluja! Denn König geworden ist der Herr, unser Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung." (Offb 19,6)

Die Offenbarung des Johannes verheimlicht nicht, daß sich das Böse im Laufe der Geschichte zusehends steigert, sich wie spiralförmig auf einen letzten konzentrierten Punkt der Bosheit hinbewegt und es für Christen sehr eng werden wird auf Erden. Aber das alles ist so im Plane des Ewigen. “Ich werde dir zeigen, was noch kommen muß," spricht der Ewige zu Johannes (Offb 4,1).

Es muß so kommen. Aber der Christ sieht im Lichte der Hoffnung durch all dies hindurch. Ja, er geht mutig wie ein Feuerwehrmann durch Rauch und Feuer hindurch, weil er den Ausgang kennt. “Hier muß sich die Standhaftigkeit und die Glaubenstreue der Heiligen bewähren," sagt der Herr (Offb 13,10).

Wenn wir von der Hoffnung des Papstes als “Zeugen der Hoffnung" gesprochen haben, so darf darauf hingewiesen werden, daß der Papst der Botschaft der heilige Sr. Faustyna besonders zugetan ist. Ja, im Lichte ihrer Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes hat er seine wunderbare Enzyklika über das Erbarmen Gottes geschrieben, die ich jedem empfehlen möchte.

Sr. Faustyna hatte ja die Sendung, die Botschaft von der unendlichen barmherzigen Liebe aller Welt kundzutun: als das letzte mächtige Gnadenangebot der Liebe Gottes. Denn es gibt nichts Größeres, was Gottes Liebe uns noch zu geben hätte.

Bei seinem letzten Besuch in Polen hat der Papst das Heiligtum der Göttlichen Barmherzigkeit in Krakau eingeweiht, in der auch das Bild vom Barmherzigen Jesus aufgestellt ist. Wir können heute die Menschen nicht genug auf diese Botschaft hinweisen. Es wird für viele der letzte Rettungsring sein, den sie ergreifen werden können.

Es ist gewiß nicht zufällig, daß Christus zu Sr. Faustyna sagt: “Bereite die Welt vor auf Meine zweite Ankunft!" Christen müssen von diesem Wiederkommen des Herrn her leben, sonst ist ihr Glauben ohne Sehnsucht, ohne Siegesgewißheit, ohne hochzeitliche Vorfreude (Offb 21). Einmal ist es soweit.

Der Herr kam an einem bestimmten Zeitpunkt der menschlichen Geschichte, vor 2000 Jahren, und Er wird sich wieder an einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte “im Glanz Seiner Herrlichkeit" (Adventpräfation) offenbaren, um Sein Werk zu vollenden.

Es ist auch nicht zufällig, daß der Herr Sr. Faustyna als der Auferstandene erscheint, wie er Thomas erschienen ist: Als der Sieger, der vom Kampf mit seinen Feinden zurückkehrt, verwundet an Händen und Fußen, durchbohrt in Seinem Herzen. Dieses Bild nennt Christus einen Gnadenthron, den alle Christen in ihren Häusern aufrichten sollen. Es ist der Thron der Hoffnung, der Siegesthron.

Und Christus lädt die Menschen ein, aus der Quelle Seines geöffneten Herzens wie aus einem Jungbrunnen zu schöpfen: Liebe, Hoffnung, Trost, Geduld, Zuspruch, Freude, Ausdauer ...

Ich möchte allen Eltern unbedingt anraten, dieser Einladung zu folgen und ihre Kinder täglich diesem barmherzigen Siegeshelden anzuvertrauen. Sie sollen die Kinder im Lichte dieser österlichen Hoffnung zu lebensfrohen und siegesgewissen jungen Menschen heranbilden.

Christliche Eltern sollten Zukunftsängsten keinen Raum geben, schon gar nicht vor den Kindern. Sie sollen ihre ganze Hoffnung und ihr Vertrauen auf den Herrn setzen, der ihre Kinder liebt und ihnen als Siegesheld vorangeht, um sie in Seine gute Zukunft zu führen.

Alle, die an Christus glauben, kommen heute nicht mehr darum herum, ganz gezielt an ihrer Hoffnung zu bauen. Die Hoffnung wächst überall dort, wo sich der Mensch um die Vertiefung seines Glaubens bemüht und in der Liebe tätig ist. Es geht heute nicht mehr ohne tägliches Gebet, ohne die Lektüre aufbauender christlicher Bücher, ohne Schriftlesung, ohne den würdigen Empfang der Sakrament und die Meidung des Bösen in jeder Form (1Thess 5,22). (Dazu zähle ich auch “Prophezeiungen" und “Botschaften", die nicht auf die Hoffnung hin geöffnet sind.)

Nirgends entzündet sich die Hoffnung und der Glaube an das ewige Leben so wunderbar wie in der werktätigen Liebe. Der Besuch bei einem alten, kranken, vereinsamten Menschen, ein Telefonanruf, das Teilen des Geldes mit anderen usw..., das alles erzeugt Hoffnung und entzündet den erloschenen Glauben und die Liebe zu Gott.

Während ich diese Zeilen schreibe, bekomme ich einen Telephonanruf. Eine junge Mutter mit kleinen Kinder ruft mich an. Sie ist seit Jahren krank und leidet an einer schweren Krankheit. Welche Mutter bäumt sich nicht gegen ein solches Schicksal auf, wenn sie einen lieben Mann und kleine Kinder hat? Ich weiß um den seit über einem Jahr geführten erbitterten Kampf dieser Mutter gegen jeden Gedanken an den Tod.

Heute sagt sie mir. “Nun habe ich eine Schlacht geschlagen. Ich habe hinübergesehen. Ich habe keine Angst mehr vor dem Tod. Ich kann nun ganz Ja sagen zum Willen Gottes. DAs Leben, auf das wir zugehen e ist wunderbar schön, es ist unbeschreiblich, es ist gewaltig, es gibt keine Worte. Ich kann nun, wenn Gott will, meine Kinder zurücklassen, meinen Mann. Jetzt kann ich es, wenn es sein muß. Das Leben ist unbeschreiblich schön und herrlich, auf das wir zugehen."

Das wollte ich in diesem Beitragen sagen. “Deinen Tod, o Herr, verkünden wir. Und Deine Auferstehung preisen wir, bis Du kommst in Herrlichkeit. Amen."

Der Autor ist Priester und wohnt in Feldheimstr. 21, CH-6260 Reiden

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