VISION 20001/2003
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Natürlich gibt es Wunder!

Artikel drucken Eine Auseinandersetzung mit der modernen Exegese (Von Wolfram Schrems)

Was kann man glauben? Viele sind verunsichert durch die heutige Exegese: Im Neuen Testament sei vieles nicht so zu verstehen, wie es dort steht, heißt es. Im folgenden eine Auseinandersetzung mit diesem Ansatz.

Sie treten auf wie eine Seuche: In Kirchenzeitungen und diözesanen Behelfen, in der Schule und in der Universitätstheologie, in Sonntagspredigten in Domen und Kapellen, in uferloser Literatur. Sie haben sich im Bewußtsein schon so vieler Christen festgesetzt, daß es kaum möglich erscheint, den durch sie verursachten Schaden wiedergutzumachen. Sie unterhöhlen alles, auf dem wir als Christen im Glauben und Handeln stehen. Und am Ende bringen sie Glauben, Handeln und Vernunft gleichermaßen zum Einsturz und die Getäuschten stehen mit leeren Händen da.

Es geht um die Irrtümer der Bibelkritik, die Fehlschlüsse der historisch-kritischen Exegese und die Zerstörungen, die die sogenannte Entmythologisierung angerichtet haben. Sie scheinen in der Kirche in unserem Land allgegenwärtig und treffen auf so gut wie keinen Widerstand seitens der Hirten oder anderer, die es besser wissen müßten.

Dabei gibt es auch gute Nachrichten: Die Schutzimpfung gegen die bibelkritische Infektion ist längst schon erfunden. In den letzten Jahren gibt es immer mehr Heilkundige, die sie auch verabreichen können. Davon soll in diesem Artikel die Rede sein.

Meine wichtigste Quelle ist das neuerschienene Werk von Klaus Berger, Sind die Berichte des Neuen Testamentes wahr? - Ein Weg zum Verstehen der Bibel, das ich sehr empfehle.

Worum geht es in der sogenannten Bibelkritik? Einer der ersten bedeutenden Gegner des christlichen Glaubens, der Philosoph Kelsos von Alexandrien, bezeichnet bereits um das Jahr 178 die neutestamentlichen Wunderberichte als “Lügen", “Zaubertricks" oder “Ammenmärchen" - wobei eines übrigens das andere ausschließt.

Diese Kritik ist nie ganz ausgestorben und erlebte im 19. und 20. Jahrhundert eine geradezu triumphale Wiedergeburt. Einen gewissen Höhepunkt dieser Strömung stellt das Werk des protestantischen Theologen Rudolf Bultmann dar. In der Zwischenzeit sind auch viele katholische Autoren auf diesen Zug aufgesprungen.

Sie geben dann solche “Erleuchtungen" von sich, wie etwa - alles selbst schon gehört -, daß sich Jesus bezüglich der Ankunft des Reiches Gottes “geirrt" habe, daß die Apokalypse keine geschichtlichen Ereignisse ankündige, daß der Auferstehungsglaube nicht gefährdet sei, wenn das “biochemische Substrat" (gemeint ist der Leib Jesu) im Grab geblieben wäre usw.

Im oben genannten Buch bringt Berger auf zwei Seiten die typischen Phrasen der Bultmannschen Bibelkritik (der sogenannten “Literarkritik"), wie sie oft anzutreffen sind: In den Evangelientexten sei manches “sekundäre Erweiterung" oder erfahre “völlige Umgestaltung infolge der Eingliederung in fremden Zusammenhang". Wieder andere Stellen seien “Produkt der Parusieverzögerung, der Rejudaisierung, des Frühkatholizismus", “massiver Mirakelglaube" oder - und das ist gewissermaßen der Höhepunkt - die Stellen hätten keine “ursprünglich direkte Beziehung zur Person Jesu". Einiges wiederum sei “ex eventu (“aus dem Ereignis", gemeint sind Prophezeiungen, die sich die Bibelkritik nur als nachträgliche Andichtungen vorstellen kann, Anm.) und also von der Gemeinde gebildet." Berger kommentiert das lapidar und zutreffend: “(Beunruhigend) ist, daß Bultmann in der Regel keine weitere Begründung für seine Behauptungen liefert als eben seinen subjektiven Eindruck."

Wenn Literarkritik an sich auch eine gewisse Berechtigung hat, so stellt diese Mischung aus Mutmaßungen, Theorien und Wertungen doch eine massive Unterhöhlung der geschichtlichen Verläßlichkeit der Evangelien dar. Sie mußte zwangsläufig katastrophale Auswirkungen auf die gesamte Theologie und Glaubensverkündigung nach sich ziehen.

Schon immer regte sich jedoch gegen die moderne Bibelkritik wohlbegründeter Widerspruch. Bereits 1959 sagte der Literaturwissenschaftler C. S. Lewis gewichtige Worte zum absurden Anspruch verschiedener Gelehrter des 20. Jahrhunderts, erst sie würden die Texte der Evangelien richtig verstehen und interpretieren.

Demjenigen, der meint, die Evangelien seien Mythen oder Märchen, entgegnet er: “Wenn er mir sagt, eine Stelle im Evangelium sei Legende oder Dichtung, so will ich wissen, wie viele Legenden oder Dichtungen er gelesen hat."

In letzter Zeit sind es auch einige Universitätstheologen, die die Bibelkritik in ihre Schranken weisen. Zu ihnen gehören der Ostkirchenkundler Hans-Joachim Schulz (Die apostolische Herkunft der Evangelien) und der Dogmatiker Raymund Schwager (Jesus im Heilsdrama).

Massive Unterstützung für die historische Verläßlichkeit der Evangelien kommt aus der Papyrologie, die neuerdings auf sehr alte Textzeugen zurückgreifen kann. Hier ist besonders Carsten Peter Thiede zu nennen, der nicht nur über immense Sachkenntnis verfügt, sondern diese auch interessant vermitteln kann.

Ein Kerngedanke dieser Autoren ist, daß die Bibelkritik nicht vernunftgemäß ist. Sie setzt das voraus, was sie zu beweisen vorgibt. Sie trägt an die Texte die Vorgabe heran, daß es Wunder und Vorhersagen nicht geben kann und behauptet dann, die berichteten Wunder seien als “symbolisch" und die Prophezeiungen als nachträglich eingefügt zu beweisen. Das ist aber unredlich.

Natürlich gibt es Wunder. Berger sagt Hilfreiches über ihre innere Logik und bringt als Beispiel die Verklärung des Herrn am Tabor: “Es geht ... um mystische Erfahrungen mit dem Gottessohn, bzw. Epiphanien des Gottessohnes. Daß man diese auf nachösterliche Zeit beschränken möchte, hängt mit der Neigung der Exegeten zusammen, alles Mystische für Gemeindebildung zu halten. Dazu gibt es aber nicht den geringsten Anlaß."

Und zur Auferstehung: “Paulus und die vier Evangelien (haben) bei aller Unterschiedlichkeit ein geschlossenes Konzept ... ,so als wäre es abgesprochen'. Da das Judentum hier für diesen ganz konkreten Punkt religionsgeschichtlich unergiebig ist, bleiben bis auf weiteres die Erfahrungen mit dem Auferstandenen selbst als gemeinsame Quelle."

Noch viele kostbare Einsichten über die “Wahrheit der besonderen Fakten" des Übernatürlichen und über die Endzeitaussagen werden in Bergers Buch geboten. Klar ist: Christlicher Glaube basiert auf Geschichte, auf Ereignissen und Fakten besonderer Art, die von den Evangelisten bezeugt werden. Anderenfalls wären diese Märchenerzähler oder Lügner.

Ausschließlich die Tatsache der Auferstehung, für die es etwa 520 Augenzeugen gab, hat den Glauben in unser Jahrhundert gerettet. Das ist eine ebenso grundlegende wie triviale Erkenntnis.

Was können wir also tun? Zuerst, glaube ich, ist es wichtig, daß die Bibel mehr gelesen und betrachtet wird, besonders die Evangelien. Der Leser wird die Geschichtlichkeit und innere Logik der berichteten Geschehnisse leicht einsehen können.

Zweitens ist auch die Beschäftigung mit der Bibelkritik und deren Widerlegung unentbehrlich. Und drittens wird es nötig sein, gegebenenfalls auch zu widersprechen, wenn Unwahres gesagt wird. Sei es im Bibelkreis, im Pfarrgemeinderat, im Diözesanapparat oder in Bildungshäusern.

Wer öffentlich das Wort ergreift, wird zur Klärung beitragen. Vielleicht wird er auch ausgelacht oder ignoriert. Das ist die Sache wert und nicht wenige werden für Aufklärung und Information dankbar sein. Und übrigens ist Heilung einer Seuche ohne schmerzhafte Injektionen eben häufig nicht möglich.

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