VISION 20001/2003
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Der heilige Franz von Sales

Artikel drucken Botschaft an uns (Von Urs Keusch)

Die Neuevangelisierung erreicht heute viele Menschen, die nach 20, 30 Jahren der Gottferne zum Glauben und zu einer lebendigen Erfahrung des lebendigen Gottes finden. Solche Umkehr ist oft mit starken religiösen Gefühlen verbunden. Menschen erfahren eine Liebe, von der sie keine Ahnung hatten. Sie erleben Krankenheilungen, Zungenreden, prophetische Zeichen usw...

In solchen Erfahrungen will Gott den Menschen Seine Nähe kundtun, will Seinen Namen offenbaren: “Ich bin da, wie ich für Abraham, Mose, die Propheten da war."

Aber diese starken religiösen Gefühle bilden sich allmählich zurück. Sie geben den Raum frei für eine Liebe, die nicht bloß wie ein Feuerwerk für ein paar Augenblicke am Himmel aufleuchtet, sondern den Menschen in Tiefe führen will: in die Tiefe des Glaubens, in die Sehnsucht der Hoffnung und in die Weite der Liebe. Es ist die Liebe, in der Gott sich dem Menschen mitteilt, und die “niemals aufhören wird" (1Kor 13,8).

Diese Liebe Gottes führt nun den Menschen behutsam auf den Wege der Liebe. Wir nennen diesen Weg auch den Weg der Tugend oder den Weg der Frömmigkeit.

Denn Frömmigkeit, sagt der heilige Franz von Sales, “ist nichts anderes als wahre Gottesliebe. Sie ist nichts anderes als Gewandtheit und Lebendigkeit im geistlichen Leben". Heute würden wir sagen, Frömmigkeit sei die Kunst des Liebens: Gott und die Menschen und die ganze Schöpfung.

Nun erlebt man immer wieder, daß sich Menschen, die einmal von diesen starken religiösen Gefühlen ergriffen waren, sich enttäuscht zurückziehen, wenn sich diese nicht mehr so häufig einstellen, ja mit der Zeit sogar ganz aufgeben.

Sie halten sich für getäuscht, meinen, Gott würde sie nun doch nicht lieben, und dann kehren sie wieder dahin zurück, von wo sie gekommen sind. Oder sie wallfahren von einem Ort zum andern, wo es “Wunder" zu sehen gibt, wo Menschen Prophezeiungen haben, Visionen, Ekstasen und dergleichen. Sie finden so nicht auf den wahren Weg der Frömmigkeit. Sie machen in ihrem geistlichen Leben keine Fortschritte und finden nicht zur geistlich-seelischen Gesundheit.

Nun gibt es auch die andere Erfahrung: daß Menschen, die zum Glauben an den lebendigen Gott zurückgefunden haben, den starken Wunsch verspüren, Gott immer besser kennen und lieben zu lernen. Sie wollen Ihm immer mehr dienen. Solche Menschen verspüren ein Verlangen, den alten Menschen abzulegen und den neuen anzuziehen, wie Paulus sagt (Röm 5,12-21).

Sie spüren, daß dies nicht das Werk einer Bekehrung ist, nicht das Werk von ein paar Wochen oder Monaten, sondern von Jahren, ja, des ganzen Lebens. Sie verstehen den heiligen Franz von Sales, wenn er sagt: “Das Bemühen um die Reinigung unserer Seele kann und soll nur mit unserem Leben ein Ende finden."

Der heilige Franz lebte in einer Zeit, die in mancher Hinsicht der unsrigen ähnlich ist. Er war Bischof des calvinisch gewordenen Genf, residierte in Annecy. Die Reformation war voll im Gange, die Menschen im Glauben verunsichert und irregeführt wie heute. Und doch regte sich in den Volksmassen ein mächtiges Bedürfnis nach Gott und der Erfahrung Seiner Liebe. In der Einleitung zu seinem Werk Philothea heißt es:

“Viele von denen, die er bekehrt oder denen er die Einsicht von der Notwendigkeit eines christlichen Lebens erschlossen hat, bitten ihn um Rat. Er antwortet gern. Trotz seiner aufreibenden Tätigkeit findet er noch Zeit, täglich viele Briefe zu schreiben, darunter ganze Abhandlungen.

Nach den eidlichen Aussagen seiner Hausgenossen gehen Tag für Tag 20 bis 25, manchmal auch bis zu 40 und 50 Briefe von seiner “Werkstatt", wie er selbst scherzhaft sagt, hinaus. So verbreitet und vertieft sich der Einfluß ins Unendliche, den er durch seine Predigten gewonnen.

Franz von Sales ist nicht nur einer der glänzenden Briefstilisten seiner Zeit, sondern vor allem ein Meister der Seelenführung. Liebevoll versenkt er sich in jede Seele, die ihm ihren Zustand, ihren guten Willen und ihre Not offenbart; jede leitet er mit großer Ehrfurcht vor ihren gottgegebenen Anlagen, vor der Gnadenführung des Heiligen Geistes und der ,Freiheit der Kinder Gottes'.

Seine Seelenführung ist von hohen Grundsätzen getragen, sie bildet ein System von seltener Geschlossenheit, geht immer auf das Ganze, verlangt von jedem das Äußerste, dabei wirkt sie aber nie knechtend, verengend oder bedrückend. Ein Teil seiner Briefe, die Ratschläge für das religiöse Leben enthalten, geht von Hand zu Hand; man bittet den Heiligen, sie der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Daran dachte er selbst schon länger. So erschien 1609 die “Anleitung zum frommen Leben", allgemein bekannt unter dem Titel ,Philothea'."

Die Philothea könnte heute im Umfeld der Neuevangelisierung für viele Menschen eine echte Hilfe sein. Dieses Werk ist ein Klassiker des geistlichen Lebens und der Seelenführung. “Franz von Sales ist nicht einer der vielen aszetischen Schriftsteller, die kommen und vergehen, aufleuchten und verschwinden. Franz von Sales hat wie Thomas von Aquin für alle Jahrhunderte geschrieben. Er ist nicht nur Schriftsteller, sondern der Kirchenlehrer katholischer Aszese und gesunder Frömmigkeit. Viele Päpste feierten in begeisterter Einmütigkeit den hohen Sinn, die majestätische Kraft, die schlichte Einfachheit und die bescheidene Anmut seiner Lehre nach Form und Inhalt." (Bischof Michael Rackl).

Gerade heute, wo viele Menschen das Privileg nicht mehr haben, einen eigenen Seelenführer zu haben, könnten sie in diesem Werk einen solchen finden. Das heißt nicht, daß Menschen, die sich dazu entschließen, ein solches Werk gründlich durchzuarbeiten und sich mit ihm auf den Weg zu machen, nicht jemanden zur Seite haben sollten, den sie immer wieder um Rat und Hilfe bei der Umsetzung ins Heute angehen können.

Das muß nicht in jedem Fall ein Priester sein, das können auch Frauen und Männer sein, die im geistlichen Leben gereift sind und selbst einen solchen guten Weg gehen. Oder was auch sehr zu empfehlen wäre: daß zwei, drei Personen zusammen ein solches Buch durcharbeiten und ihre Erfahrung miteinander austauschen.

Das ganze Leben und Wirken des heiligen Franz war von der Liebe Gottes bestimmt. Er wird darum auch der Lehrer der Liebe genannt. Der heilige Vinzenz von Paul (übrigens ein Zeitgenosse von Franz v. Sales) und die heilige Franziska von Chantal erklärten, Franz von Sales sei das lebendige Ebenbild des Heilands gewesen.

Von dieser Liebe und Milde unseres Herrn ist die Philothea beseelt. Man kann sie Menschen, die sich ernsthaft “in der Kunst der Liebe zu Gott und zu den Menschen" üben und darin Fortschritte machen möchten, nur empfehlen.

Viel Freudlosigkeit, Müdigkeit und innere Unzufriedenheit kommt ja daher, daß die Menschen stehen bleiben, daß sie im geistlichen Leben keine Fortschritte machen. Denn das geistliche Leben ist auf Wachstum angelegt. Und wo dieses innere Wachstum ausbleibt, dort stellt sich auch die Freude an Gott nicht ein: das innere - und mit ihm auch oft das äußere - Leben verödet.

Der Mensch aber ist zur Liebe berufen: zu einem Weg, der nie aufhört, sondern in die Ewigkeit hineinmündet. Und wer diesen Weg beschreitet, reift zu jener Frömmigkeit heran, die Franz von Sales so beschreibt:

“Ich will keine absonderliche, unruhige, traurige und verdrossene Frömmigkeit, sondern eine milde, sanfte, angenehme und friedliche, mit einem Wort: eine freie und fröhliche Frömmigkeit, die liebenswürdig ist vor Gott und den Menschen."

Die Kirche feiert das Fest des heiligen Franz von Sales am 24. Jänner. Der Heilige wurde auf dem Schloß Sales in Savoyen geboren. Er starb 1622 in Lyon, wurde 1656 heiliggesprochen und 1877 zum Kirchenlehrer ernannt. Er ist auch Patron der katholischen Presse und der Schriftsteller.

Die Philothea und andere Schriften sind erhältlich bei “Franz-Sales Verlag, Postfach 1361, D-85067 Eichstätt. Die Philothea ist der Band 1 (gibt es auch als Taschenbuch) Empfehlenswert: Band 6, Seelenführungsbriefe an Laien.

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